In den nächsten Jahren werden autonome Fahrzeuge erhebliche Auswirkungen auf unser Mobilitätsverhalten haben und unsere Mobilitätslandschaft verändern. Insbesondere selbstfahrende Fahrzeuge, die als On-Demand-Dienste bereitgestellt werden, können maßgeblich zur Gestaltung eines attraktiveren und wettbewerbsfähigeren ÖVs beitragen.
Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass Pendler*innen mit einer App einen Abholservice zum nächstgelegenen Bahn- oder U-Bahnhof bestellen können. Der fahrerlose Shuttle-Service wird dann einen oder mehrere Fahrgäste abholen – immer unter Auswahl der optimalen Route.
Natürlich sind noch viele Tests und Analysen erforderlich, bevor autonome Fahrzeuge sicher und zuverlässig auf den Straßen unterwegs sein können. Die Zukunft liegt aber nicht mehr in allzu weiter Ferne.
Städte und Unternehmen auf der ganzen Welt testen autonomes Fahren bereits im Straßenverkehr. So sind beispielsweise Uber und Waymo auf diesem Gebiet sehr aktiv. Erst kürzlich wurde zudem in fünf europäischen Städten ein Pilotprojekt mit autonomen Shuttle-Flotten gestartet.
Gleichzeitig stellt die Bereitstellung von On-Demand-Angeboten mit Hilfe dieser neuen Technologien eine große Herausforderung für Stadtverwaltungen, ÖPNV-Betreiber und Automobilhersteller dar. Sie setzen alle Hebel in Bewegung, um herauszufinden, wie welche Auswirkungen autonome Fahrzeuge haben werden und wie sie am besten als Teil des ÖPNV Systems bzw. als Zusatzangebot eingesetzt werden können.
Viele offene Fragen
Um On-Demand- Angebote mit autonomen Fahrzeugen im ÖPNV einzusetzen, gilt es noch zahlreiche Fragen zu beantworten: Wie werden diese Angebote aussehen? Welche Auswirkungen werden autonome Fahrzeuge auf herkömmliche Fahrzeuge und die bestehenden Transportsysteme haben? Inwiefern muss die Infrastruktur verändert werden? Und können selbstfahrende Wagen wirklich zu einer Reduzierung der Luftverschmutzung beitragen?
Bei welcher Durchdringungsrate machen sich die Effekte des autonomen Fahrens überhaupt bemerkbar? Was ist der Mehrwert für die Gesellschaft? Und welcher Business Case passt dazu?
Mit der Einführung neuer Technologien ergeben sich auch immer neue Fragestellungen. Softwaretools, die Mobilitätsszenarien visualisieren und simulieren, können dazu beitragen, diese Fragen zu beantworten.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Eine Stadt geht davon aus, dass ca. 10 % der Einwohner*innen autonome Shuttle-Dienste nutzen werden. Doch wie mit Gewissheit sagen, ob dies dann auch zu dem gewünschten geringeren Verkehr, Emissions- und Lärmbelastung führen wird? Oder ist dies erst der Fall, wenn mehr (oder weniger) Fahrgäste die autonomen Dienste nutzen?
Die effektivste Methode, um die Auswirkungen von autonomen Fahrzeugen und On-Demand-Diensten realistisch bewerten zu können, ist die Erstellung eines Verkehrsmodells der Stadt. Innerhalb dieses Verkehrsmodells oder „digitalen Zwillings“ ist es möglich, unterschiedlichste Verkehrsszenarien, zu visualisieren und zu vergleichen.
Das Durchspielen der verschiedenen Parameter zeigt auf, wo Potenziale zur Optimierung liegen. So wird beispielsweise für Planer*innen ersichtlich, wie lange Reisende bereit sind, auf den autonomen On-Demand-Shuttle zu warten oder welche zusätzliche Fahrzeit bei der Nutzung von Ride-Sharing-Angebot noch akzeptabel ist.
Die Oslo Studie
Die norwegische Hauptstadt Oslo gehört zu den Städten, die sich aktiv auf die Einführung von autonomen Fahrzeugen vorbereitet. Eine Studie, die die PTV Group gemeinsam mit dem Osloer Verkehrsunternehmen Ruter und dem Beratungsunternehmen COWI kürzlich erstellt hat, veranschaulicht diese nahe Zukunft.
Im Rahmen der im April 2019 abgeschlossenen Studie wurde die Auswirkungen autonomer Fahrzeuge und On-Demand-Dienste auf das Verkehrsnetz der Stadt untersucht.
Dabei zeigte sich, dass autonome Fahrzeuge nur dann zur Verkehrsreduzierung beitragen können, wenn sie in ein größeres Mobilitätssystem integriert werden. Wenn Sie jedoch auf die gleiche Weise genutzt werden wie die heutigen Fahrzeuge, tragen sie zu einem noch höheren Verkehrsaufkommen bei.
Die Option, bei der die Fahrgäste weiterhin die ÖV-Angebote nutzten und Autofahrer*innen auf Ride-Sharing-Angebote umstiegen, konnte mit der stärksten Verkehrsentlastung punkten. So konnte das Verkehrsaufkommen im gesamten Erhebungsgebiet um 14 % reduziert werden. Umgekehrt würde das Verkehrsaufkommen um 97 Prozent steigen, wenn alle heutigen Autofahrer*innen und ÖV-Nutzer*innen auf Carsharing umsteigen würden, aber ohne Ridesharing.
Schätzung des Bedarfs an autonomen Fahrzeugen
PTV Software wurde in weiteren Städten wie Köln oder Barcelona eingesetzt, um einzuschätzen, wie sich On-Demand-Dienste auf den Verkehr auswirken würden.
Die Simulationen in diesen Studien wiesen auf eine interessante Tatsache hin: Nur die Hälfte der vorgeschlagenen Anzahl von On-Demand-Fahrzeugen reicht aus, um 80 % der Nachfrage zu bedienen. Mit anderen Worten: Wenn 4.000 Fahrzeuge benötigt werden, um die gesamte Nachfrage nach einem neuen Dienst zu bedienen, dann reichen 2.000 aus, um 80 % abzudecken. Die andere Hälfte der Flotte ist ineffizient und unrentabel.
Autonomes Fahren, Luftqualität und Lärmbelastung
Für Verkehrsplaner*innen gilt es zudem herauszufinden, wie sich der Einsatz autonomer Fahrzeuge auf die Luftverschmutzung und Lärmbelastung auswirkt. Ein Berechnungsmodell für eine interaktive Planung, das die niederländische Forschungsorganisation TNO auf Basis von PTV Software und Urban strategy erstellt hat, bietet Einblicke in diese Zusammenhänge.
Dieses Modell ermöglicht es politischen Entscheidungsträger*innen, in ein bestimmtes Stadtviertel hineinzuzoomen und den Effekt der geplanten Maßnahmen zu ermitteln.
Die komplexe Planungstätigkeit, die sich aus der künftigen Einführung autonomer Fahrzeuge ergibt, ist bereits im vollen Gange. Intelligente Visualisierungstools vermitteln Planer*innen – und der Öffentlichkeit – einen Eindruck davon, wie das Leben sein wird, wenn selbstfahrende Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sind.