Der Nationale Radverkehrsplan 3.0 soll den Radverkehr in Deutschland auf eine ganz neue Stufe heben. Denn die Bundesregierung will den Radverkehr mit Nachdruck weiterentwickeln und verbessern. Der aktuelle Plan gilt noch für das laufende Jahr. Ab 2021 macht Version 3.0 dann Deutschland zum Fahrradland.

Die Coronakrise beeinflusst alle möglichen Lebensbereiche – auch die persönliche Mobilität. Die Menschen fahren mehr Rad oder gehen zu Fuß. Das macht sie unabhängig und schont die Umwelt. Auch die Ansteckungsgefahr ist im Vergleich zum ÖPNV geringer. Metropolen wie Bogota, New York oder Berlin haben Pop-up-Fahrradwege eingerichtet, Brüssel macht gar mit einer Velorution von sich reden. Expert*innen wissen längst um die Vorteile der nicht-motorisierten Verkehrsmittel, denn die Verkehrswende ist nötig. Hier kommt der Nationale Radverkehrsplan (NRVP) ins Spiel.

Die Bundesregierung hat die Förderung des Radverkehrs schon seit 2002 auf der Agenda, es entstand der erste Nationale Radverkehrsplan. Seit 2013 gilt der NRVP 2020; mehr als 220 Projekte wurden hier mit jährlich 5 Millionen Euro gefördert. So soll der Radverkehr attraktiver und sicherer werden, damit der Anteil des Radverkehrs am Modal-Split, also am Gesamtverkehrsaufkommen, sukzessive wächst.

Ganz besonders profitiert der Radverkehr jedoch vom im Oktober 2019 verabschiedeten Klimapaket. So hat die Bundesregierung beschlossen, das weitere Potenzial des Radverkehrs zu heben und mit Ländern und Kommunen die Radverkehrsnetze deutlich auszubauen. Ziel ist, dass sich alle auf diesen Netzen sicher fühlen und dass es möglich wird, jeden Weg mit dem Fahrrad zurückzulegen. Dafür stellt sie zunächst bis 2023 rund 1,4 Mrd. Euro zur Verfügung, weit mehr als je zuvor.

Radverkehrsplan: Alles bereit für Version 3.0

Mit dem NRVP 3.0 will Deutschland noch einen Schritt weiter gehen und zusätzliche aktive Impulse für mehr Radverkehr geben. Das Beteiligungsverfahren bezieht Expert*innen ebenso wie Bürger*innen in die Entwicklung des neuen NRVP ein. Auf die Online-Befragung im Frühsommer 2019 folgte ein Dialogforum mit Expert*innen. Mit Hilfe der Ergebnisse wird aktuell der NRVP 3.0 entwickelt. Der komplett neue Nationale Radverkehrsplan soll 2021 auf dem Nationalen Radverkehrskongress 2021 veröffentlichen werden.

„Beim Dialogforum diskutierten die Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden, Verwaltung und Zivilgesellschaft über die Ziele des neuen NRVP und die Maßnahmen, mit denen sie erreicht werden sollen. Dabei haben wir uns natürlich an den Leitzielen des NRVP orientiert“, sagt Annette Kindl, die mit den Expert*innen von PTV, ifok und Fraunhofer ISI am Entwurf des Plans beteiligt ist.

Acht Leitziele für das Fahrradland Deutschland

Mit diesen Leitzielen soll Deutschland zum Fahrradland werden:

  1. Lückenloser Radverkehr in Deutschland. Durch eine Infrastruktur, die zum Radfahren motiviert
  2. Vision Zero im Radverkehr. Mehr Sicherheit für Radfahrende
  3. (Urbaner) Lastenverkehr wird Radverkehr. Die Belieferung auf der letzten Meile wird emissionsfrei
  4. Deutschland wird zum Fahrradpendlerland. Das Fahrrad als Verkehrsmittel der Wahl für Arbeits- und Ausbildungswege
  5. Stärkung Deutschlands als Fahrradstandort. Die Fahrradwirtschaft wird gefördert, Image und Wissen über den Radverkehr verbessert
  6. Radverkehr wird intelligent, smart und vernetzt. Planung von Infrastruktur und Verkehrssteuerung wird mithilfe entsprechender Daten optimiert, die Mobilitätsangebote werden vernetzt
  7. Radverkehr erobert Stadt und Land. Die besonderen Randbedingungen unterschiedlicher Regionstypen werden bei der Förderung des Radverkehrs berücksichtigt
  8. Das Fahrrad im Zentrum einer modernen Mobilität. Die Position des Verkehrsmittels in der Politik und der Planung wird deutlich gestärkt

Radfahren in Europas Städten

Viele dieser Ziele sind in einigen europäischen Städten längst in der Umsetzung oder gar Praxis. Nämlich überall dort, wo man schon vor vielen Jahren erkannt hat, dass aktive Mobilitätsformen umweltfreundlicher und stadtverträglicher sind. Sie tragen zur Entlastung des Verkehrs bei und sorgen für eine sozial gerechtere Teilhabe an Mobilität. Entsprechend frühzeitig wurden die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen. Etwa in Kopenhagen oder Amsterdam.

Wie der Studie Living. Moving. Breathing. [Santhosh Kodukula et al., Wuppertal Institute 2018] zu entnehmen ist, wird in Städten, in denen bei der Planung der Mensch im Mittelpunkt steht, meist mehr gegangen und Rad gefahren. Denn es braucht die richtigen Voraussetzungen – in der Politik wie der Infrastruktur. Gemäß der Studie liegen Städte wie Amsterdam und Kopenhagen beim Radfahren ganz vorne. Interessant: In Amsterdam wird etwas mehr geradelt (32 %) als gegangen (31 %), in Kopenhagen sind es sogar 10 % Unterschied. Auch Berlin nimmt beim Anteil an aktiver Mobilität einen vorderen Platz ein. Allerdings werden hier deutlich mehr Wege zu Fuß (31 %) als per Rad (13 %) zurückgelegt. In Paris geht man ebenfalls viel zu Fuß (41 %), doch beim Radfahren liegt die Stadt (3 %) mit weiteren Metropolen wie London (2 %) und Rom (1%) noch weiter hinten. Aber Paris hat sich vorgenommen, wesentlich fahrradfreundlicher zu werden.

Nach dem Copenhagenize Index 2019 hat Kopenhagen inzwischen Amsterdam als fahrradfreundlichste Stadt überholt. Zu den weiteren Top 20 der Fahrradfreundlichkeit weltweit gehören auch Städte wie Bogotá, Tokio, Taipei, Vancouver und Montreal. Als fahrradfreundlichste Stadt in Deutschland gilt übrigens PTV-Hauptsitz Karlsruhe, wobei in einigen Punkten bei der Bewertung für den alle zwei Jahre stattfindenden ADFC-Fahrradklima-Test noch Luft nach oben ist.

Radfahren auf dem Land

Die Förderung des Radverkehrs ist beileibe kein rein städtisches Thema. Auch in der Fläche und in ländlichen Räumen gehört Radverkehr nicht nur zum touristischen Angebot. Er wird immer stärker Teil des Alltagsverkehrs. So fordert der Deutsche Landkreistag in seinem Positionspapier, dass Radverkehr als Baustein einer nachhaltigen Mobilitätswende auch in die Fläche gebracht werden muss. Nicht nur deshalb wird sich der NRVP 3.0 den besonderen Herausforderungen des Radverkehrs in der Fläche annehmen.

Wie geht es jetzt weiter?

Aktuell arbeitet das Projektteam in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur an der Formulierung des NRVP 3.0. Die Grundlage dafür bilden die mit dem Dialogforum erarbeiteten Inhalte. Sie wurden in sogenannten Outputpapieren dokumentiert und können hier heruntergeladen werden. Die nationale Fahrradstrategie durchläuft schließlich noch verschiedene Beteiligungs- und Abstimmungsrunden in den Bundesressorts, bevor sie dann vom Kabinett beschlossen und schließlich veröffentlicht wird.

Zukunftsfähige Mobilität gestalten

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