Seit diesem Sommer rollen die ersten fahrerlosen Shuttle-Busse in New York.  Auch in zahlreichen anderen Städten weltweit wie Singapur, Sydney oder Hamburg werden vollautomatiscnavigierende Fahrzeuge getestet. Sie bietenda sind sich Expert*innen einig, zahlreiche Chancen für den öffentlichen Verkehr (ÖV) und könnten dabei helfen, die Verkehrsprobleme unserer Zeit zu lösen. Das deutsche Forschungsprojekt „LEA (Klein-) Bus“ hat sich damit beschäftigt, was nötig ist, damit aus diesen Testbetrieben tatsächlich Regelbetriebe werden.  

Bisher fahren die selbstfahrenden Kleinbusse nämlich nur sehr eingeschränkt eigenständig. In New York sind die sechssitzigen Elektrofahrzeuge in einem 300 Hektar großen, abgetrennten Industriegebiet, dem Brooklyn Navy Yard, unterwegs – stets mit zwei Sicherheitsfahrern an Board. In Hamburg fährt der selbstfahrende Shuttle auf einer 1,8 km langen Strecke in der Hafencity mit 15 bis maximal 25 km/h – natürlich ebenfalls mit Begleitperson.  

„Von einem Regelbetrieb im öffentlichen Straßenraum sind wir heute weit entfernt. Es gibt noch zahlreiche technische Hürden. Schon Blätter, die auf die Straße fallen, können die Fahrzeuge aktuell zum Stehen bringenAuch bei der Vernetzung der Fahrzeuge untereinander sowie mit der Infrastruktur sind noch einige Schritte zu machen. An einen Mischverkehr mit konventionellen Autos ist also bisher nicht zu denken. Es hakt aber nicht nur an der technischen Reifeder rechtliche Rahmen ist ebenfalls nicht hinreichend geklärterklärt Inga Luchmann aus dem PTV Research Team, die das Forschungsprojekt leitete„Dazu kommen weitere Fragestellungen, wie etwa die soziale Sicherheit. Also wie sicher fühle ich mich beispielsweise als Frau im Bus, wenn ich im Notfall keinen Fahrer oder eine Begleitperson ansprechen kann? 

Die Wissenschaftler*innen beleuchteten das Thema von allen Seiten. Nicht nur rechtliche und technische Aspekte standen im Fokus, sondern auch die Gestaltung der Infrastruktur, der Betrieb und die Wirtschaftlichkeit sowie die Akzeptanz in der Gesellschaft. Durch Auswertung bisheriger Erfahrungen nationaler und internationaler Testbetriebe, durch Literaturrecherche und Befragungen von Expert*innen aus den unterschiedlichsten Bereichen (z. B. Recht, Fahrzeughersteller Verkehrsbetriebe, Behörden) entstand ein ganzheitliches Bild.

Simulation zeigt Einsatzmöglichkeiten

Das Forschungsteam ging aber noch einen Schritt weiter und wagte den Blick in die Zukunft: Wie kann der Regelbetrieb aussehen, wenn all diese Hürden erst mal beseitigt sind? In einem realen Verkehrsmodell auf Basis von PTV Visum, das verschiedene Verkehrssituationen abbildet, wurden die Einsatzmöglichkeiten in drei verschiedenen Verkehrsräumen simuliert: Im Wohnquartier am Rande einer Großstadt mit S-Bahnanschluss, in einer mittelgroßen Stadt mit Kernbereich und peripheren Stadtteilen sowie in der Landgemeinde. Dabei wurden zwei Szenarien durchgespielt: Was passiert zum einen, wenn der bestehende Buslinienverkehr mit Fahrplan- und Haltestellenbindung mit einem automatisierten Elektrobus statt einem konventionellen Dieselbus durchgeführt wird? Zum anderen wurde der heutige Linienverkehr vollständig durch einen vollautomatisierten, nachfrageorientierten On-Demand-Verkehr mit elektrischen Kleinbussen ersetzt. Welche Auswirkungen haben beide Szenarien auf den Fahrzeugbedarf, die Betreiberkosten und die Wartezeiten für die Nutzer?

Quelle: Optimus Ride
Quelle: Optimus Ride

„Viel Potenzial ergibt sich für den voll automatisierten On-Demand-Verkehr natürlich in nachfrageschwachen Gebieten wie dem ländlichen Raum, wo heute nur selten ein Bus fährt. Ein solcher Service bietet deutlich mehr Komfort für Nutzer*innen zu heute vergleichbaren KostenIm städtischen Umfeld kann der Einsatz von vollautomatisierten Kleinbussen in nachfrageschwachen Randbereichen und –zeiten sinnvoll sein“berichtet Christian Reuter von der PTV Transport Consult GmbH, der für die Simulation verantwortlich war.  

Gibt es allerdings eine hohe Nachfrage und nur wenig Möglichkeiten, die Fahrten zu bündeln, können schnell sehr große Fahrzeugflotten erforderlich sein, die den Betrieb unwirtschaftlich machen. 

 „Das haben wir am Beispiel der mittelgroßen Stadt gesehen. Dort war die Nachfrage zur Hauptverkehrszeit nicht nur auf das Zentrum gerichtet und wir brauchten im On-Demand-Verkehr plötzlich 150 bis 200 fahrerlose Kleinbusse, um die Nachfrage abzudecken. Ein Linienverkehr mit Standardbussen macht da also mehr Sinn“, so der PTV-Berater weiter. „Dies zeigt, dass eine allgemeine Empfehlung für oder gegen den Einsatz von automatisierten Bussen nicht möglich ist. Es kommt immer auf die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort an. Nur wenn ich die möglichen Auswirkungen auf meine Stadt, Gemeinde oder Region kenne, kann ich eine fundierte Entscheidung treffen. Deshalb sind Simulationen solch ein starkes Werkzeug.“ 

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zu den notwendigen und wünschenswerten Rahmenbedingungen flossen in ein White Paper ein, das sich vor allem an Städte Landkreise, Kommunen und Planer*innen richtet. Sie können das White Paper hier downloaden.

Über das Forschungsprojekt LEA (Klein-) Bus

Das zwei Jahre (2017-2019) laufende Projekt „LEA (Klein-) Bus – Erforschung der Voraussetzungen und Einsatzmöglichkeiten von automatisierten und elektrisch fahrenden (Klein-) Bussen im ÖPNV“ wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Es wurde von einem Konsortium aus PTV Planung Transport Verkehr AG (Leitung), PTV Transport Consult GmbH, dem Karlsruher Institut für Technologie und der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner GbR bearbeitet. 

Neue Mobilitätstechnologien und -konzepte – wie z.B. selbstfahrende Shuttle-Dienste – werden große Auswirkungen auf unsere Verkehrswelt haben.

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