Jahrzehntelang folgten die städtische Mobilität und die Infrastrukturplanung einem auf das Auto ausgerichteten Ansatz. Der städtische Raum wurde den Autofahrern gewidmet, damit sie sich so reibungslos und frei wie möglich fortbewegen konnten. Heute kommen in der Europäischen Union im Durchschnitt 569 Pkw auf 1.000 Einwohner. Die Städte werden von Autos beherrscht – mit bekannten Folgen: massives Verkehrsaufkommen, Staus, Lärm und Luftverschmutzung. Einige Städte denken nun darüber nach, Autos zu verbieten – zumindest teilweise. Schauen wir uns einige Beispiele dafür an, wie die Vision autofreier Städte umgesetzt wird.
Was würde passieren, wenn man Autos verbieten würde?
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie attraktiv das städtische Leben wird, wenn es weniger Verkehr und mehr Platz für flanierende Menschen gibt. Parkplätze wurden in Straßencafés umgewandelt, und Pop-up-Fahrradwege brachten mehr Menschen dazu, auf ihr Fahrrad zu steigen. In vielen Metropolen verbesserte sich die Luftqualität Man konnte plötzlich wieder Vögel singen hören.
Dies hat viele Städte dazu inspiriert, bei der Stadtplanung einen mehr bürgernahen Ansatz zu verfolgen und Wege zu finden, den öffentlichen Raum neu zuzuweisen. So hat Mailand beispielsweise einen 200 Millionen Pfund teuren Plan zur Schaffung eines neuen Netzes von Fahrradwegen genehmigt Das Netz verbindet zukünftig die Stadt und ihre Umgebung.
Auch Pläne für nachhaltige urbane Mobilität sind auf dem Vormarsch – immer mehr Städte setzen auf diesen integrierten Ansatz, um zukunftsorientierte, nachhaltige Mobilitätsökosysteme zu gestalten.
Aus Sorge vor den Auswirkungen des Klimawandels gehen einige Großstädte sogar noch radikaler vor: Sie werden komplett autofrei. Aber sie tun dies auf unterschiedliche Weise. Die folgenden drei Beispiele für autofreie Ansätze zeigen, wie Städte mit weniger Autos aussehen könnten.
Die Superblöcke von Barcelona

Seit einigen Jahren ist Barcelona sehr fortschrittlich, wenn es um die Gestaltung einer lebenswerten und grünen städtischen Umwelt geht. Die Stadt verfügt über einen umfassenden Plan für urbane Mobilität, um nachhaltige, sichere und gesunde Mobilitätsoptionen zu fördern. Die sogenannten Superblöcke sind das Herzstück der städtischen Transformation.
Was sind Superblöcke?
Superblöcke sind Stadtteile mit neun Blöcken, in denen der Verkehr eingeschränkt ist. Busse, Lastwagen und andere Fahrzeuge, die von einem Teil der Stadt in einen anderen fahren, müssen diesen Bereich umfahren. Nur Anwohner und Lieferfahrzeuge dürfen hineinfahren – mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h. Parken ist nur in Tiefgaragen oder außerhalb des Superblocks möglich. Die Straßen im Inneren sind nur für Fußgänger und Radfahrer freigegeben. Sie sollen mehr Freiraum für Begegnungen und Gespräche der Bürger, für Märkte, Spielplätze, Cafés oder öffentliche Veranstaltungen schaffen.
In der Stadt gibt es bereits fünf Superblocks, weitere sind geplant. Die Fortschritte lassen sich auf einer öffentlich zugänglichen Karte der städtischen Umgestaltung verfolgen.
Pariser autofreie Zone
Paris den Parisern zurückgeben – das ist der Antrieb hinter den Plänen von Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Ihr Ziel ist es, die französische Hauptstadt in eine grüne 15-Minuten-Stadt zu verwandeln. In dieser ist alles, was die Bewohner brauchen, innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar.
Die Pariser Stadtverwaltung hat bereits viele Maßnahmen in Richtung einer autofreien Stadt angestoßen: Große Teile des Seineufers wurden erfolgreich zu Fußgängerzonen umgestaltet. Das Netz an Fahrradwegen in der Stadt wurde großflächig ausgebaut. Man hat neue Grünflächen und Bürgersteige in Bereichen angelegt, die zuvor dem Autofahren und Parken vorbehalten waren.
Außerdem sind an jedem ersten Sonntag im Monat zehn überlastete zentrale Bereiche, wie die berühmten Champs Élysées, autofrei. Im August 2021 führte Paris in den meisten Teilen des Stadtzentrums ein Tempolimit von 30 Stundenkilometer ein, um die Luftqualität zu verbessern.
Seit kurzem prüft Paris auch die Einführung einer autofreien bzw. emissionsarmen Zone. Bis Anfang 2024 wollen die Pariser Behörden Privatfahrzeuge aus dem historischen Stadtzentrum verbannen, um die Luftverschmutzung und den Lärm zu verringern. Die neue Zone würde Autos nicht vollständig verbieten. Die Zufahrt für Anwohner und Menschen mit Behinderungen sowie für Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs, Liefer- und Dienstleistungsfahrzeuge wäre weiterhin möglich.
Autofreies Berlin?
In Berlin fordert eine Bürgerinitiative ein Autoverbot innerhalb der Ringbahn, der Bahnlinie, die das Stadtzentrum umrundet. Damit würde das größte autofreie Stadtgebiet der Welt entstehen. Die Bürgerinitiative „Berlin autofrei“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Fortbewegung in diesem Gebiet auf Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Verkehrsmittel zu beschränken.
Wie in anderen Städten bedeutet die Vision einer „autofreien Stadt“ nicht wörtlich, dass keine Autos in das Gebiet fahren dürfen. Für Müllabfuhr, Taxis, Handels- und Lieferfahrzeuge sowie für Anwohner, die auf das Auto angewiesen sind, würden Sondergenehmigungen erteilt.
„Es geht darum, dass wir alle zusammen leben, atmen und spielen wollen. Wir wollen, dass die Menschen bei offenem Fenster schlafen können, dass Kinder wieder auf der Straße spielen können. Und Großeltern sollen sicher Fahrrad fahren können und genügend Bänke zum Verschnaufen haben“, sagte Nina Noblé, eine der Gründerinnen der Initiative, kürzlich in einem Interview mit „The Guardian“.
Der Berliner Senat, das Leitungsgremium der Stadt, prüft nun die Idee.

Simulationen zur Neugestaltung des städtischen Raums
Die Politik von Städten und Stadtvierteln ändert sich. Immer mehr von ihnen wollen ihren Bewohnern ein lebenswertes, grünes und attraktives Umfeld bieten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, wo Autos fahren dürfen und wie Straßen umgestaltet werden können, um vorrangig den Bedarf an einer anderen Nutzung zu decken: vom ÖPNV bis hin zu Park- und Grünanlagen.
Umso wichtiger ist es für Planer, sich mit möglichen Maßnahmen zur Schaffung autofreier Städte auseinanderzusetzen. Wie verlagert sich zum Beispiel der Verkehr, wenn bestimmte Stadtteile für Autos gesperrt werden? Bietet der ÖPNV eine gute Anbindung und hat er eine ausreichende Kapazität? Wie können verschiedene Verkehrsträger und -dienste effizient miteinander verbunden werden, um ein nachhaltiges Mobilitätsökosystem zu schaffen?
Um diesen Mobilitätswandel voranzutreiben, sind Daten und Simulationsmodelle unverzichtbare Instrumente.