Mit etwas über 12 Millionen verfügt der Freistaat Bayern als flächenmäßig zweitgrößtes Bundesland Deutschlands gleichzeitig über die zweithöchste Einwohnerzahl. Entsprechend wichtig ist eine gut funktionierende Infrastruktur – jetzt und in Zukunft. Den strategischen Neu- und Ausbau sowie die operative Planung des Verkehrsnetzes soll ein landesweit durchgängiges Verkehrsmodell unterstützen. Dazu wurde von der Autobahndirektion Südbayern im Januar 2015 eine Arbeitsgemeinschaft (bestehend aus der PTV Group und der Prognos AG) mit der Erstellung des Landesverkehrsmodells Bayern beauftragt. Die Arbeitsgemeinschaft wird unterstützt durch den Software-Entwickler ser.soft GmbH und Prof. Dr. Markus Friedrich, Leiter des Lehrstuhls für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik am Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart. Parallel wurde durch SSP Consult, Beratende Ingenieure GmbH (vormals TCI Röhling) die Zulieferung zum externen Verkehr und zum Lkw-Verkehr erstellt sowie der Auftraggeber fachlich beraten.

Ein Verkehrsmodell für Bayern

Die Gesellschaft ist in Bewegung. Neben den täglichen Wegen zum Arbeitsplatz gewinnen Freizeitreisen und Dienstfahrten zusehends an Bedeutung. Die erhöhten Mobilitätsanforderungen haben konkrete Auswirkungen auf den Verkehrsablauf und damit auf die genutzte Infrastruktur. Im Fokus der Bayrischen Staatsbauverwaltung steht deshalb nicht nur der Erhalt des Bestandsnetzes, sondern vor allem die Evaluierung neuer struktureller Entwicklungen für alle Verkehrsträger und deren Vernetzung. Um bei Aus- und Neubaumaßnahmen im Straßen- und Schienenbereich fundierte Entscheidungen treffen zu können, gab der Freistaat Bayern ein landesweites Verkehrsmodell in Auftrag. Ein Projekt dieser Größenordnung steht und fällt bereits mit der Ausschreibung. Bayern hat von Anfang an Wert auf Qualität gelegt. Gemeinsam mit einem unabhängigen wissenschaftlichen Berater wurden die Anforderungen an das Modell erarbeitet und die Rahmenbedingungen klar definiert. Am Ende überzeugte das Angebot des Konsortiums durch seine Wirtschaftlichkeit. Das Kernelement des Projekts – das Nachfragemodell – wurde von der PTV AG unter der Leitung von Dr. Juliane Pillat erstellt: „Unser Ziel war es, ein nutzerfreundliches, bedienbares Modell zu schaffen, das das Netzmodell mit den Strukturdaten vereint und die entsprechenden Verhaltensmodelle integriert. Daraus ergab sich nach Kalibrierung und Validierung ein Nachfragemodell für ganz Bayern, das sowohl den Personen- als auch den Wirtschaftsverkehr berücksichtigt“, so Juliane Pillat.

Der Aufbau

Das Landesverkehrsmodell Bayern enthält folgende Informationen:

  1. Es bildet den multimodalen Verkehr ab. Pkw-Fahrer und Pkw-Mitfahrer werden genauso berücksichtigt, wie der Öffentliche Nah- und Fernverkehr, Radfahrer und Fußgänger.
  2. Das abgebildete Netz umfasst 6.600 Bezirke, 300.000 Kilometer Straße und 3,8 Millionen Service-Kilometer ÖV.
  3. Das Modell berücksichtigt 44 Personengruppen, deren Aktivitäten in 32 Untereinheiten unterteilt sind.
  4. Dabei konzentriert sich das Nachfragemodell auf 3 verschiedene Schwerpunkte: a. den privaten Personenverkehr im Alltag b. den privaten Fernverkehr c. den Personenwirtschaftsverkehr.
  5. Neben dem Personenverkehr umfasst das Landesverkehrsmodell den in einem parallelen Projekt von SSP Consult erstellten Güterverkehr für vier verschiedene Lkw-Segmente. Zudem ist die Maut berücksichtigt.
  6. Angaben zu verschiedenen Zeiträumen, wie Wochentage (Montag-Freitag), Spitzenstunden, Urlaubzeiten und Verkehrsstärke.
  7. Das Nachfragemodell umfasst neben sozioökonomischen Strukturdaten aus dem Freistaat Bayern auch große Bereiche der angrenzenden Bundesländer sowie der Nachbarländer Österreich und Tschechien. Das Netzmodell bildet europaweite Verkehrsströme ab.
  8. Als Referenzdaten wurden u.a. Dauerzählstellen und Straßenverkehrszählungen für Pkw und Lkw, Fahrgasterhebungen der Bayrischen Eisenbahngesellschaft, großräumige Fernverkehrsuntersuchungen, flächendeckende Kordonerhebungen, die Haushaltbefragung „Mobilität in Deutschland“ sowie die „Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland“ genutzt. Mittels dieser Daten wurde eine umfassende Überprüfung aller Modellschritte durch geführt und durch interne und externe Qualitätskontrolle gesichert.

Ein entscheidender Vorteil eines Verkehrsmodells ist die Prognosefähigkeit. Auf Grundlage der abgebildeten Realität können Voraussagen einer künftigen Entwicklung getroffen werden. Das bayrische Verkehrsmodell bildet daher aktuell das Verkehrsgeschehen für das Jahr 2014 und 2015 ab. Die davon abgeleiteten Prognosezustände für das Jahr 2030 und 2035 basieren hierbei auf einem eigenständigen Raumstrukturdatenmodell sowie dem für das jeweilige Jahr angenommenen Netzzustand für die Straße und dem geplanten ÖV-Angebot im Nah- und Fernverkehr (gemäß amtlicher Planungsgrundlagen wie dem Bundesverkehrswegeplan 2030 BVWP). Grundlegende Eckdaten für die prognostizierten Entwicklungen lieferten z.B. der aktuelle BVWP wie auch offizielle Statistiken auf Landes-, Bundes- und Europaebene. Die Prognosezahlen stehen als Datengrundlagen allen berechtigten Stellen über eine Intranet-Datenbank unmittelbar zur Verfügung. Projektleiter Dr. Volker Waßmuth, Bereichsleiter Verkehrsplanung und Verkehrstechnik bei der PTV Transport Consult, ist zu Recht stolz auf das Ergebnis: „Mit dem Verkehrsmodell Bayern haben wir zusammen mit den Kollegen der bayerischen Staatsbauverwaltung in kurzer Zeit eines der größten multimodalen Verkehrsmodelle der Welt erstellt. In der umfassenden Anwendung wird sich dessen großer Wert zeigen.“

Ausblick

Alle Behörden des Freistaats Bayern und beauftragte externe Gutachter sollen die Möglichkeit haben, das Landesverkehrsmodell für Verkehrsuntersuchungen oder weiterführenden Analysen zu nutzen und nach Bedarf zu erweitern. Eine eigens dafür entwickelte Web-Oberfläche soll die Anwendung erleichtern und die Hemmschwelle für die Nutzer gering halten. Alle Behörden und Betriebe in Bayern sollen von diesem Landesverkehrsmodell profitieren. Eine einheitliche Datenbasis erleichtert die Zusammenarbeit und fördert die Transparenz. So können Ergebnisse und Dokumentationen auf derselben Grundlage geschaffen werden. Davon profitieren die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Angaben – jetzt und in Zukunft.

Neben den „klassischen“ Aufgaben der Infrastrukturplanung können auf Basis des Landesverkehrsmodells mittelfristig auch betriebliche Untersuchungen, z.B. zu neuen Mobilitätsformen oder Verkehrssicherheitsanalysen, vorgenommen werden.

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