Der Flughafen London Luton (LLA) ist einer der verkehrsreichsten Flughäfen des Vereinigten Königreichs, auf dem im Jahr 2023 mehr als 16,2 Millionen Passagiere abgefertigt werden und der eine wichtige Rolle bei der Anbindung des Vereinigten Königreichs an verschiedene europäische und internationale Ziele spielt. 

Im Oktober 2023 verursachte ein Großbrand im Terminal Parkhaus 2 (TCP2) einen teilweisen Einsturz der Struktur, wodurch sowohl das Parkhaus als auch der bestehende Abfertigungsbereich im Erdgeschoss außer Betrieb gesetzt wurden. Aufgrund dieser Störung benötigte der Flughafen eine Übergangslösung, um den Betrieb während des Wiederaufbaus von TCP2 aufrechtzuerhalten. 

Ramboll unterstützte London Luton Airport Operations Ltd (LLAOL) bei der Entwicklung von Optionen für eine temporäre Lösung zur Steuerung des Passagier-Drop-offs. Dies umfasste die Einrichtung einer neuen temporären Drop-off-Zone (TDOZ) im zentralen Terminalbereich (CTA) sowie Intermediary Drop-Off und Pick-Up Zonen (IDOZ und IPUZ) im bestehenden Mid-Stay-Parkplatz des Flughafens. Zudem wurden sichere, angepasste Fußgängerbereiche in der Umgebung des Terminals berücksichtigt.

Im Rahmen des Entwicklungsprozesses der Optionen führten wir Mikrosimulationsmodellierungen mit PTV Vissim und Viswalk durch, um die Auswirkungen der vorgeschlagenen Designs auf den Verkehrsfluss und die Interaktionen zwischen Fußgängern im Flughafenbereich präzise zu bewerten.

Das Modell

Ziel der Studie war es, die betrieblichen Effizienz und Leistungsfähigkeit verschiedener Layouts für die Drop-off- und Pick-up-Zonen des Flughafens sowie Verkehrsmanagementlösungen für das Netz in der Nähe des Terminals zu bewerten. Wichtige Aspekte waren dabei Sicherheit, Ein- und Aussteigezeiten, Haltezeiten, Verzögerungen sowie die Interaktionen zwischen Fahrzeugen und Passagieren. 

Unter den getesteten Szenarien stellte die Implementierung eines dynamischen Verkehrsmanagementsystems aus Modellsicht die größte Herausforderung dar. Um Staus am Eingang der Temporary Drop-Off Zone (TDOZ), der primären Drop-Off Location, zu vermeiden, wurde der Verkehr von dort zur Intermediary Drop-Off Zone (IDOZ) und zur Intermediary Pick-Up Zone (IPUZ) umgeleitet. Während temporärer Sperrungen wurde der Drop-off-Verkehr umgeleitet, bis die Überlastung nachließ und die TDOZ wieder geöffnet werden konnte. 

Modellbereich

Der modellierte Bereich erstreckt sich vom Percival-Kreisel über die Kreuzung zum Mid-Stay-Parkplatz, der aktuell auch als Intermediary Drop-Off- und Pick-Up-Zone dient. Hinter der Kreuzung befindet sich ein Tunnel. Nach dem Tunnel liegt auf der rechten Seite Terminal Car Park 1 (TCP1), der weiterhin in Betrieb ist. Daneben befindet sich das Gelände des ehemaligen TCP2, das sich derzeit im Wiederaufbau befindet. Die neue TDOZ liegt links vom Tunnelausgang und wurde auf einer ehemaligen Taxi-Zone errichtet. Sie ist seit Juli 2024 in Betrieb. 

Annahmen

Die Simulation konzentrierte sich auf die morgendliche Spitzenstunde. Fahrzeuge in den Drop-Off-Zonen wurden mit einer Haltezeit von drei Minuten belegt, während Fahrzeuge in den Pick-Up-Zonen eine Haltezeit von zehn Minuten erhielten. Jedes Fahrzeug wurde mit einer durchschnittlichen Belegung von drei Personen modelliert – darunter ein Fahrer und zwei Passagiere. Für das gesamte Straßennetz wurde eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 mph (ca. 16 km/h) festgelegt, um die typischen Betriebsbedingungen auf dem Flughafengelände realistisch abzubilden. 

Modelleigenschaften

Optimierung der Lichtsignalanlagen
Eine externe Signalsteuerung wurde als adaptives LSA-Steuerungssystem implementiert, um das bestehende System an der Mid-Stay-Kreuzung nachzubilden. Detektoren und Signalsteuerung erfassten den Verkehrsfluss an jeder Zufahrt der Kreuzung und berechneten die optimale Grünzeitverteilung, um den Durchsatz je nach Verkehrsaufkommen zu maximieren. 

Fahrzeugtypen und -routen
Die Fahrzeugtypen wurden nach Nutzungszweck (Drop-Off, Pick-Up, Taxi etc.) definiert. Zur Darstellung ihrer Bewegungen innerhalb des Flughafens wurden drei Routentypen implementiert: 

  • Statische Routen für jeden Fahrzeugtyp und die zugewiesenen Zonen 
  • Teilrouten, um spezifische Fahrzeugbewegungen und Verteilungen abzubilden 
  • Parkplatz-Routen, um Parkplätze für Drop-Off- und Pick-Up-Fahrzeuge zuzuweisen und das Parkverhalten sowie die geplanten Haltezeiten realistisch zu simulieren 

Fußgängertypen und -routen
Es wurden zwei Fußgängergruppen mit entsprechenden Routen modelliert: 

  • Drop-Off-Passagiere: Sie bewegen sich von dem Parkplatz, an dem ihr Fahrzeug geparkt hat, zum Terminal. 
  • Pick-Up-Passagiere: Sie legen den umgekehrten Weg vom Terminal zum Parkplatz zurück, um ihr Fahrzeug zu erreichen. 

Die Herausforderungen

Die komplexe Interaktion zwischen Fahrzeugen und Fußgängern in Verbindung mit der detaillierten Modellstruktur stellte mehrere Herausforderungen dar. 

Eine der größten Aufgaben war es, sicherzustellen, dass jeder Fußgänger zur richtigen Zeit am richtigen Ort generiert wird und dass seine Route präzise zugewiesen wird. Besonders in stark frequentierten Bereichen wie den Drop-Off- und Pick-Up-Zonen können Fußgänger Verzögerungen verursachen, die in die Analyse einbezogen werden mussten. 

Eine weitere zentrale Herausforderung bestand in der Implementierung eines dynamischen Verkehrsmanagementsystems, um Staus an der Temporary Drop-Off Zone (TDOZ) zu steuern. Aufgrund der begrenzten Kapazität der TDOZ musste der Verkehr bei drohender Überlastung zu den Intermediary Drop-Off und Pick-Up Zonen (IDOZ und IPUZ) umgeleitet werden. Das Modell musste temporäre Sperrungen der TDOZ sowie die anschließende Verkehrsumleitung simulieren, bis sich die Situation entspannte und die Zone wieder geöffnet werden konnte. 

Der Ansatz

Das Modell nutzte ereignisbasierte Skripte, die über die Component Object Model (COM)-Schnittstelle in PTV Vissim eingebunden wurden. Diese ermöglichten es, bestimmte Aktionen oder Bedingungen in Echtzeit während der Simulation auszulösen. 

Fußgänger
Die Integration von benutzerdefinierten Attributen und Skripten war entscheidend, um Fußgängerverhalten realistisch in die Simulation einzubinden. 

  • Benutzerdefinierte Attribute verknüpften jeden Parkplatz mit seinem zugehörigen Fußgängerbereich, sodass der Start- oder Zielpunkt eines Fußgängers bestimmt werden konnte – je nachdem, ob das geparkte Fahrzeug Passagiere absetzte oder abholte. 
  • Für jedes parkende Fahrzeug generierte das Skript die entsprechende Anzahl an Fußgängern am richtigen Ort, definierte deren Ziele und aktualisierte die Fahrzeugbelegung entsprechend. 
  • Die Kombination aus benutzerdefinierten Attributen und ereignisbasierten Skripten stellte sicher, dass das Verhalten von Fahrzeugen und Fußgängern dynamisch verknüpft wurde und somit die realen Interaktionen präzise abgebildet werden konnten. 

Drop-off Fahrzeuge
Für Fahrzeuge, die als Drop-Off klassifiziert wurden, wurden zwei statische Routen eingerichtet: 

  • Eine Route führte zur Temporary Drop-Off Zone (TDOZ)
  • Eine zweite Route führte zu den Intermediary Drop-Off Zonen (IDOZ und IPUZ)

Dieses duale Routensystem ermöglichte die Simulation eines dynamischen Verkehrsmanagements, bei dem Fahrzeuge automatisch zu den Mid-Stay Drop-Off Zonen umgeleitet wurden, wenn die TDOZ geschlossen war, und nach deren Wiedereröffnung zurückgeführt wurden. 

Ein Routen-Entscheidungspunkt, der eine variable Anzeigetafel simuliert, wurde kurz vor der Einfahrt am Percival-Kreisel platziert. An diesem Punkt wird die Route der Fahrzeuge dynamisch je nach Betriebsstatus der TDOZ zugewiesen. 

Um den Prozess dynamisch zu gestalten, wurde eine Kombination aus benutzerdefinierten Attributen und ereignisbasierten Skripten eingesetzt: 

  • Benutzerdefinierte Attribute wurden eingerichtet, um den Status der TDOZ abzubilden, Schwellwerte für Schließung und Wiedereröffnung festzulegen und die Anzahl der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge zu verfolgen. 
  • In jedem Zeitschritt der Simulation überprüfte das Skript die Werte der benutzerdefinierten Attribute, um zu bestimmen, ob die TDOZ geöffnet oder geschlossen wird. 

Basierend auf dieser Analyse leitete das Skript Drop-Off-Fahrzeuge auf die passende Route um, wodurch ein dynamisches und anpassungsfähiges Verkehrsflussmanagement sichergestellt wurde. 

Das dynamische Verkehrsmanagement wird im Video demonstriert, in dem Fahrzeuge nach Typ und Route farbcodiert sind: 

  • Schwarz: Drop-Off-Fahrzeuge ohne zugewiesene Route
  • Orange: Drop-Off-Fahrzeuge auf dem Weg zur TDOZ
  • Rot: Drop-Off-Fahrzeuge auf dem Weg zu den Mid-Stay Drop-Off Zonen
  • Blau: Pick-Up-Fahrzeuge
  • Weiß: Andere Fahrzeuge

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse des TDOZ-Modells waren entscheidend für die Analyse und Optimierung verschiedener Layoutoptionen. Sie ermöglichten es Ramboll, London Luton Airport Operations Ltd die optimale Lösung für das Passagier-Drop-Off-Management bereitzustellen. 

Durch die präzise Simulation von Verkehrs- und Fußgängerströmen konnten potenzielle Engpässe und Staupunkte identifiziert werden. So stellte das endgültige Design sicher, dass der Spitzenverkehr effizient bewältigt wird, während Verzögerungen auf ein Minimum reduziert wurden. Dieser datengetriebene Ansatz spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer Lösung, die Sicherheit, Effizienz und betriebliche Leistungsfähigkeit während der Neugestaltung der Flughafeninfrastruktur optimal ausbalanciert. 

Die implementierte Lösung wird kontinuierlich überwacht – und ihre Leistung entspricht genau den Modellprognosen. Dies bestätigt die Zuverlässigkeit des Modells bei der Simulation realer Bedingungen und unterstreicht die Wirksamkeit der Simulationen bei der Bereitstellung einer optimierten und funktionalen Lösung. 

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