Während sich Städte zunehmend in Richtung nachhaltiger Mobilitätslösungen entwickeln, gewinnt das Fahrrad als Verkehrsmittel an Bedeutung. Fahrradfreundliche Städte wie Kopenhagen und Utrecht oder in Deutschland Münster und Karlsruhe zeigen, wie wichtig eine gut geplante und sichere Infrastruktur für die Förderung des Radverkehrs ist. Mit der wachsenden Rolle des Fahrrads in der Verkehrsplanung steigt auch die Notwendigkeit einer detaillierten und genauen Darstellung in Verkehrsmodellen.

Dabei fehlt es allerdings oft an Daten zum Radverkehr. Ein Projekt in der Region Bordeaux in Frankreich widmete sich diesem Problem, um die Aussagekraft von Verkehrsmodellen im Hinblick auf Radverkehr zu verbessern.

“Unser Ziel war es, das multimodale Verkehrsmodell von Bordeaux Metropole (MMM33) dahingehend zu erweitern, dass Radfahrenden sowohl in der Routenwahl als auch in der Verkehrsmittelwahl verbessert dargestellt werden”, sagt Bastien Guichardaz vom PTV Group Team in Frankreich.

Herausforderungen in der Radverkehrsmodellierung

Traditionell werden Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer in Verkehrsmodellen mit einer festen Geschwindigkeit dargestellt. Dabei wird der Einfluss der Infrastrukturen oft nicht berücksichtigt. Mit vermehrtem Radverkehr – insbesondere auch durch die Zunahme von E-Bikes – wird dieser vereinfachte Ansatz unzureichend. Detaillierte Daten über Fahrradgeschwindigkeiten sind für die Berechnung der Reisezeiten essenziell – einem zentralen Parameter in Verkehrsmodellen.

“Die Geschwindigkeit bestimmt die Reisezeit, und die Reisezeit ist der entscheidende Indikator in Modellen zur Bestimmung von Fahrtzielen, der Verkehrsmittel- und Routenwahl”, erklärt Bastien Guichardaz.

Im Gegensatz zu Autos und dem öffentlichen Nahverkehr, für die umfangreiche Datensätze existieren, sind Daten zum Radverkehr rar. Grund sind zum Beispiel fehlende Geschwindigkeitsbegrenzungen und eine Vielzahl an Faktoren, die die Geschwindigkeit von Radfahrern beeinflussen – wie Straßenbedingungen, Infrastruktur und Fahrerfahrung. Das erschwert die Erstellung verlässlicher Modelle.

“Für zuverlässige Verkehrsmodelle sind zuverlässige Fahrraddaten unerlässlich”, so der PTV-Experte.

Fahrraddaten für ein präziseres Modell

Um diese Datenlücken für das Verkehrsmodell in Bordeaux zu schließen, rekrutierte das Projektteam eine Gruppe von Radfahrenden, die die GPS-Daten ihrer Fahrten zur Verfügung stellten. Zudem füllten die Teilnehmende Umfragen  zu persönlichen Merkmalen aus.

“Diese Methode ermöglichte eine umfassende Analyse von Fahrtlängen, Geschwindigkeiten und der Nutzung verschiedener Infrastrukturen”, sagt Bastien Guichardaz.

Sichere Radwege entscheidend

Die Analyse bestätigte, dass Faktoren wie Alter, Steigung des Geländes und Fahrradtyp die Geschwindigkeit erheblich beeinflussen – in Übereinstimmung mit vorherigen Studien. Allerdings gab es auch einige überraschende Ergebnisse.

“Wir waren erstaunt darüber, welchen Einfluss die Infrastruktur hat. Die ermittelten Basisgeschwindigkeiten unterschieden sich teilweise erheblich von den bisher in Modellen angenommenen Werten”, so Bastien Guichardaz.

In Frankreich dürfen Radfahrende beispielsweise Busspuren mitbenutzen. Obwohl diese geteilten Busspuren nicht unbedingt als fahrradfreundliche Infrastruktur eingestuft werden, ergab die Untersuchung, dass dort oft schneller gefahren wird. Dieses Muster zeigte sich unabhängig von der Fahrerfahrung.

“Unsere Interpretation ist, dass geteilte Spuren mehr Platz und Überholmöglichkeiten bieten, was zu höheren Geschwindigkeiten führt.”

Eine weitere Erkenntnis war, dass Radfahrende nicht immer die kürzeste Strecke wählen. Selbst wenn die Geschwindigkeit basierend auf Infrastruktur und Steigung angepasst wurde, wichen die tatsächlichen Routen oft von der effizientesten Strecke ab. Dies deutet darauf hin, dass Komfort und Sicherheit für viele Radfahrende wichtiger sind als reine Effizienz. Besonders Rad-Neulinge und E-Bike-Nutzende nahmen oft Umwege in Kauf, um sichere Radwege zu nutzen.

“Unsere Umfrage berücksichtigte insbesondere E-Bikes. Sie bieten mehr Komfort und ermöglichen längere Fahrten mit höheren Geschwindigkeiten “, erklärt Bastien Guichardaz. “Angesichts ihrer zunehmenden Verbreitung in städtischen Gebieten war es wichtig, sie ins Modell zu integrieren und ihre spezifischen Eigenschaften abzubilden. Die gesammelten Fahrraddaten bestätigten, dass E-Bike-Nutzende andere Routenentscheidungen treffen und mit anderen Geschwindigkeiten fahren als konventionelle Radfahrende. Das unterstreicht die Notwendigkeit differenzierter Modellierungsansätze.”

Aktualisierung des Verkehrsmodells von Bordeaux

Mit den gesammelten Radverkehrs-Daten entwickelten die Expertinnen und Experten ein spezifisches Fahrradgeschwindigkeitsmodell und kalibrierten einen Komfort-/Sicherheitsbonus. Beides wurde in das multimodale Verkehrsmodell von Bordeaux Metropole integriert, wodurch die Genauigkeit der Fahrradverkehrsmodellierung erheblich verbessert wurde. Durch die Verfeinerung der Geschwindigkeitsschätzungen und die Berücksichtigung des Einflusses der Infrastruktur stellt dieses Update sicher, dass der Radverkehr ebenso präzise modelliert wird wie der Autoverkehr und der öffentliche Nahverkehr.

Zukünftige Perspektiven der Fahrradverkehrsmodellierung

Das verbesserte Modell bietet Bordeaux Metropole ein zuverlässigeres Werkzeug für die Verkehrsplanung. Mit erhöhter Genauigkeit können Planende nun besser einschätzen, wie sich neue Radverkehrsinfrastrukturen auswirken, und Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs gezielter umsetzen. Dieser Fortschritt unterstützt nicht nur die Ziele nachhaltiger Mobilität, sondern verbessert auch das städtische Verkehrsmanagement, indem das Fahrrad als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt wird.

Während andere Städte ihre Radverkehrsinfrastruktur weiter ausbauen, dient der Ansatz von Bordeaux als Vorbild für eine datengestützte Verbesserung der Fahrradverkehrsmodellierung.

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