Gerade in der Lehre und Forschung ist der Austausch und die Diskussion mit Kolleg*innen essenziell für die persönliche Weiterbildung und den Erfolg der eigenen Forschungsarbeit. Zum ersten Mal fand im Februar 2021 das PTV Academic Forum statt. Eine Plattform, geschaffen für Lehrende und Forschende der deutschsprachigen und südosteuropäischen Hochschullandschaft, um über aktuelle Mobilitätstrends im Verkehrswesen zu diskutieren und voneinander zu lernen. Besonders spannend war in diesem Jahr die Break-out-Session mit namhaften Expert*innen zum Thema „Mobilitätstrends: Innovation in der Forschung“
Wir haben für Sie die Kernaussagen zu den Mobilitätstrends 2021 zusammengefasst. Viel Spaß.

Trend “Das Fahrrad in der Verkehrsmodellierung”

Der Radverkehr ist gemeinsam mit dem Zufußgehen die klimaschonenste Art der Fortbewegung.
Der Radverkehr ist gemeinsam mit dem Zufußgehen die klimaschonenste Art der Fortbewegung.

Prof. Dr. Christoph Walther, PTV Group

Wir sind seit vielen Jahren in der Forschung bei der PTV am Mobilitätstrend „Fahrrad“ dran. Schon vor mehr als 10 Jahren haben wir ein gesamtwirtschaftliches Bewertungsverfahren für Fahrradinfrastrukturen entwickelt und gehören aktuell zu den wissenschaftlichen Begleitern der Entwicklung des nationalen Radverkehrsplans im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Ich persönlich finde den Gedanken interessant, die Entwicklung im Fahrradverkehr auch einmal dahingehend zu untersuchen, ob es einen Break-Even-Point der Nachfrage gibt, ab dem die positive Wirkung zurückgeht und es dem Verkehrsfluss möglicherweise gar nicht mehr gut tut, wenn noch mehr Bürger*innen auf das Rad umsteigen. Ich habe das in Kopenhagen erlebt, dass man als Fußgänger den Weg zur Bushaltestelle nicht mehr überqueren kann, weil so viele Radfahrer auf der Straße sind. Ein starkes „Mehr“ an Radfahrern führt nicht zwingend zu einer optimalen Nutzung des Verkehrsraums.

Prof.-Dr. Matthias Richter, Westsächsische Hochschule Zwickau

Zum Thema „Ursachen und Auswirkungen von Konflikten zwischen Radfahrer*innen und Fußgänger*innen“ haben wir vor Kurzem eine empirische Studie in Kooperation mit der Technischen Universität Krakau durchgeführt. Mein Kollege Marek Bauer und ich haben die Ergebnisse auf der „13th International Road Safety Conference, GAMBIT 2020“ vorgestellt. Die Untersuchung konzentrierte sich auf das Verhalten von Radfahrer*innen und Fußgänger*innen und deren Interaktion in Abhängigkeit verschiedener Faktoren, wie zum Beispiel der vorhandenen Infrastruktur für den Radverkehr. Eine interessante Beobachtung, die wir gemacht haben, war, dass der Anteil der Fußgänger*innen, die Konflikte verantworten, stetig steigt und dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen und können, um ein Aufeinandertreffen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer*innen konfliktfreier zu gestalten. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Sicherheit der beiden Gruppen auf Fuß-, Radwegen und gemeinsamen Flächen. Leider begegnen viele der Fußgänger*innen und Radfahrer*innen dem jeweils anderen Verkehrsteilnehmer negativ und manchmal auch rücksichtslos. Die Erfahrung zeigt: wer im Auto ein Rowdy ist, ist auf dem Fahrrad oder als Fußgänger*in auch kein Engel.

Elisabeth Lerch, University of Applied Science Frankfurt

An der Frankfurt University of Applied Sciences liegt unser Hauptinteresse im Rahmen der neuen Stiftungsprofessur für Radverkehr darin, herauszuarbeiten, wie wir unseren Lehrauftrag verstehen und strukturieren. Dabei ist unsere wichtigste Aufgabe derzeit zu recherchieren, welche Forschungsfelder es zum Mobilitätstrend „Radverkehr“ bereits gibt und wo die größten Bedarfe liegen, um dann festzulegen, in welche Richtung unsere eigene Arbeit gehen soll.
Um einen kleinen Einblick in unserer Herangehensweise zu geben: Wir wollen z. B. wissen, wie verhalten sich Radfahrer / wie verhalten sich Fußgänger? Wie verhalten sie sich, wenn sie sich eine Fläche teilen müssen? Leider ist zurzeit keine ausreichende Datengrundlage für aktive Mobilitätsformen vorhanden. Wir können aber aufgrund von COVID-19 im Moment keine innerstädtischen Erhebungen machen, da die Situation außerhalb der Norm liegt. Damit wären die Erkenntnisse, die wir gewännen, für unsere Zwecke unbrauchbar. Gleichwohl wird es spannend sein, ob durch die COVID-19 hervorgerufenen Trends, also z. B. mehr Homeoffice oder steigende Radverkehrsanteile, bestehen bleiben, wenn die Pandemie vorbei ist. Im Bereich der Freizeitnutzung hingegen können zurzeit plausible Radverkehrsdaten erhoben werden, da die Fahrradnutzung an der Stelle aktuell boomt. Deshalb liegt darauf momentan unser Fokus.

Michael Cik, Technische Universität Graz

Ein Mega-Mobilitätstrend in Österreich ist der Radverkehr. An der TU Graz beschäftigen wir uns damit, wie wir als Mobilitätsexpert*innen, den Fahrradverkehr in Zukunft gut und richtig in einem Verkehrsmodell abbilden können. Das Interesse an aktiven Verkehrsmitteln bei Städten und Kommunen ist nicht erst seit der Pandemie sehr hoch. In der Forschung haben wir dabei nicht nur die Eigenschaft des Verkehrsmittels im Blick (als Inputgeber in der Modelltechnik), sondern auch die Datengrundlage. Wie komme ich an die von mir benötigten Informationen? Nutze ich GPS-Daten? Errichte ich Zählstellen oder kaufe ich Mobilfunkdaten ein?

Klaus Nökel, PTV Group

Aus meiner Sicht ordnet sich die Modellierung des Fahrradverkehrs ein in das große Thema „Die Neuverteilung des Straßenraums“. Wir brauchen Modelle, die sensitiv sind auf ganz anderen Ebenen. Bleibt beispielsweise eine Kreuzung „walkable“, wenn man sie umbaut für den Radverkehr? Mit PTV Vissim lässt sich das sehr gut abbilden, da die Software alle Verkehrsteilnehmer mit ihren Verhaltensparametern berücksichtigt.

Trend „Daten im Verkehrsmodell“

Dr. Klaus Nökel, PTV Group

Es ist die Stunde der Empirie: So sehr COVID-19 eine Belastung für Industrie, Gesellschaft und Wirtschaft ist, so interessant ist die Situation aus Sicht der Datenwissenschaft. Wissenschaftler sammeln wie verrückt Daten, um dieses weltweite „Großexperiment“ im Hinblick auf Verhaltensänderungen so genau wie möglich sezieren und analysieren zu können. Wie viele dieser Verhaltensänderungen sich dauerhaft in Mobilitätstrends etablieren werden, können wir im Augenblick nur spekulieren. Fakt ist jedoch, dass einige der Ausprägungen durch COVID nur beschleunigt wurden und sich deshalb sicherlich dauerhaft als neue Verhaltensmuster manifestieren werden. Welche das sein werden, können wir aber im Moment nicht sagen und deshalb auch im Modell nicht berücksichtigen.

Michael Cik, Technische Universität Graz

Relevante Daten zu bekommen und aufzubereiten ist bereits 30 – 35% der Arbeit im Vorfeld. Wir haben aktuell in Graz ein Projekt, das aktive Mobilität untersucht. Im Fokus stehen die Nutzer einfacher Scooter (nicht zu verwechseln mit dem aktuellen Mobilitätstrend “E-Scooter”) und Fahrradfahrer. Die Untersuchung beginnt mit der Frage: Wie komme ich für den Untersuchungsgegenstand an Datensätze, mit dem ich Ergebnisse generieren kann? Flächendeckende Informationen zu bestimmten Stichtagen zu bekommen, ist mit extremem Aufwand verbunden. Da gibt es kein Patentrezept. Was wir auf jeden Fall in unseren Lehrauftrag mit aufgenommen haben, ist, dass wir die Studenten dahingehend schulen, mit statistischen Analysen und Datenverarbeitungen umgehen zu können.

Andreas Stadler, PTV Group

Daten sind die wesentliche Grundlage jeder Verkehrsmodellierung und werden immer wichtiger. Wir müssen einen Weg finden, kontinuierlich Daten zu erheben und dann die Modelle damit zu erweitern oder zu verbessern. Letztlich geht es darum ein lebendes Modell zu pflegen, ganz egal ob ich damit ein Stadtmodell meine oder ein kleinräumiges Vissim-Modell. Die Datengrundlage ist dabei, meiner Meinung nach, wichtiger als die Methodik. Ob ich dafür neue KI oder Machine Learning Methoden benutze oder ein altes statistisches Verfahren: jede Methodik basiert auf Daten. Der Unterschied zwischen den Verfahrensergebnissen ist kleiner als der Unterschied, der entstünde, wenn die Datenqualität divergiert. Die wirklich interessanten Fragen, wie beispielsweise: Wie lässt sich MaaS modellieren?, Wie geht es mit COVID weiter?, Wie verhalten sich die Menschen bei einer Änderung des Radverkehrs? Können wir theoretisch bis zu einem gewissen Punkt aussagekräftig modellieren. Wir kämpfen nur mit der fehlenden Datengrundlage.

Trend „Künstliche Intelligenz in der Verkehrsmodellierung“

Dr. Klaus Nökel, PTV Group

Künstliche Intelligenz ist aus der Verkehrsmodellierung nicht mehr wegzudenken. Sie ist als Ergänzung zu klassischen Methoden der Verkehrsmodellierung oder sogar bereits teilweise als Ersatz dafür zu sehen. Aus meiner Sicht, müssen wir, die Verkehrsexperten*innen der PTV, eine Entscheidung treffen: modellieren wir in Zukunft in unseren Produkten Mobilitätsentscheidungen wie die Verkehrsmittelwahl basierend auf Random Forests oder Neuronalen Netzen anstelle der Logit-Modelle, die aktuell in Verkehrsmodellen allgegenwärtig sind?
Verkehrsmodellierung in Echtzeit hat großes Potenzial zur Kurzfristprognose von Verkehrszuständen, Kernaufgabe beim Verkehrsmanagement. Künstliche Intelligenz könnte genutzt werden, um aus Videobildern eines Straßenabschnitts oder einer Kreuzung den Verkehrszustand zu bestimmen und daraufhin einfache Steuerungsaktionen ableiten zu können. Damit könnten KI-basierte Methoden das Rauschen im alltäglichen Normalbetrieb gut unter Kontrolle halten, wogegen bei einer Großkatastrophe auf der Autobahn noch immer der Mensch gefragt ist.
Wenn wir diese Entwicklung vorantreiben wollen, werden wir um hochwertige Trainingsdatensätze für die Künstliche Intelligenz nicht herumkommen. Eine spannende Frage ist, ob Verkehrsmodelle verwendet werden können, um solche Trainingsdaten zu synthetisieren.

Prof.-Dr. Matthias Richter, Westsächsische Hochschule Zwickau

Seit Kurzem trägt die Westsächsische Hochschule Zwickau den Namen der „Hochschule für Mobilität“. Als solche sind wir, ähnlich wie das für die Frankfurt University of Applied Sciences geschildert wurde, auch noch in der Findungsphase und sind dabei zu definieren, welche Schwerpunkte das für unsere Arbeit bedeutet. „Mobilität“ kann sehr vielfältig interpretiert werden und umfasst unzählige Aspekte aus Gebieten wie Fahrzeug und Produktion, Energie und Infrastruktur, Digitalisierung aber auch Gesundheit und Nachhaltigkeit. Im Bereich des Verkehrsmanagements führen wir zum Beispiel Tests zum Einsatz von KI-basierten Modellen durch. Da ist viel reines Handwerk dabei: Kamera aufstellen oder mittels Drohne über den Verkehr fliegen, Fahrzeuge identifizieren und Kenngrößen ermitteln. Ich glaube, dass gerade an diesem Punkt großes Potenzial für Forschung mit Echtzeitdaten liegt. Mit vergleichsweise einfachen Mitteln können so große Effekte erzielt werden, die beispielsweise im Hinblick auf den Einsatz autonomer Fahrzeuge (und auch deren Koexistenz mit klassischen Fahrzeugen) ungeahnte Möglichkeiten eröffnen.

Michael Cik, Technische Universität Graz

Wenn ich aus den Modellen die Aktivität der Menschen herauslesen kann, dann wird es spannend. Mit der Zeit werden wir mittels künstlicher Intelligenz die Aktivitäten immer besser abbilden können. Egal, ob es regelbasierte Ansätze sind (Random Forrest, neuronale Netze) oder probabilistische Modellansätze – die Modelle werden mit beiden Verfahren immer schlauer, können aber nur funktionieren, wenn wir gute Trainings- und Testdatensätze generieren, um die KI zu trainieren. Mein Traum wäre eine annotierte Datenbank einer angemessen großen Bevölkerungsgruppe. Die Datensätze müssten Angaben enthalten zu der Trajektorie, den Aktivitäten und den Tagesplänen jedes Einzelnen. Auf Basis dieser Trainingsdaten wird das Modell trainiert und mit der Zeit immer schlauer. Mit einem zweiten Datensatz validiere ich dann das Modell. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, in diese Datenerhebungen Forschungsgelder zu investieren, weil diese Erkenntnisse auch in künftige Haushaltsbefragungen einfließen sollten, die natürlich mit der Zeit verbessert und digitalisiert werden sollten.

Big Data und was kommt dann? Seien Sie nicht nur bereit für die Datenflut, die auf Sie einstürzt, meistern Sie sie.
Big Data und was kommt dann? Seien Sie nicht nur bereit für die Datenflut, die auf Sie einstürzt, meistern Sie sie.

Trend „Verkehrsmodellierung im interdisziplinären Kontext“

Michael Cik, Technische Universität Graz

Neben Aussagen zu Mobilitätstrends, war für mich in letzter Zeit die größte Erkenntnis, zu sehen, wie viele Fachbereiche tatsächlich auf Basis eines Nachfragemodells interagieren und zusammenarbeiten können. Man kann die Empirie, die man erbt und die Nachfragemodellierung, die man macht, für so viele unterschiedliche Zwecke einsetzen. Ob das jetzt Luft, Lärm oder Umwelt sind, oder aber wie aktuell der Gesundheitsbereich. Es ist interessant – welchen Einfluss Mobilität und Nachfrage auf die anderen Forschungsfelder haben.
Wenn ich beispielsweise die Mobilitätskurve in Österreich für März 2020 und die für den zweiten und dritten Lockdown mit der Wirtschaftsentwicklungskurve aus diesem Zeitraum und der Entwicklung im epidemiologischen Bereich vergleiche, sind deutliche Korrelationen zu erkennen.
Wir haben jedoch im Gespräch mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut gelernt, dass die Berechnungsergebnisse aus dem Verkehrsmodell für die Weiterverarbeitung sehr zeitnah gebraucht werden, um beispielsweise Konjunkturprognosen machen zu können.

Dr. Klaus Nökel, PTV Group

Wenn uns COVID-19 eins gezeigt hat, dann dass wir in der Verkehrsmodellierung unseren Wirkungskreis erweitern müssen. Wir sind so daran gewöhnt Verkehrsmodellierung nur für Infrastrukturplanungen zurate zu ziehen, dass wir darüber hinaus weitere mögliche Anwendungsfelder sträflich vernachlässigen. Im Fall der Pandemie spielt Infrastrukturplanung keine Rolle. Verkehrsmodelle wurden und werden hier genutzt, um Kontaktnetzwerke und Ansteckungsgefahren zu ermitteln und herauszufinden welche Auswirkungen die Schließungen auf die Wirtschaft haben könnte. Die interdisziplinären Möglichkeiten, die sich jetzt ergeben sind mehr als spannend.

Prof.-Dr. Christoph Walther, PTV Group

Die europäische Union rief 2019 die Initiative GAIA-X ins Leben mit dem Ziel, die Abhängigkeit von amerikanischen und chinesischen IT-Anbietern und datengetriebenen, marktbeherrschenden Plattformen zu reduzieren. GAIA-X stellt dabei einen organisatorischen und rechtlichen Rahmen für eine entsprechende Cloud-Architektur zur Verfügung. Der vom deutschen Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) initiierte Datenraum Mobilität könnte ein Anwendungsbeispiel für GAIA-X im Mobilitätsbereich werden. Als Anwender liegt die Chance solcher Datenräume darin, mit Datensätzen unterschiedlicher Anbieter zu arbeiten und so bessere Matrizen zu generieren als Nachfragematrizen auf Basis nur eines Providers. Es könnte auch die Bundesverkehrswegeplanung revolutionieren, wenn Planer nicht alle 5-10 Jahre einen überdimensionierten Aufwand betreiben, um die Matrizen zu aktualisieren, sondern diese kontinuierlich fortschreiben. Viele europäische Staaten und Unternehmen weltweit unterstützen das Projekt bereits.

Künstliche Intelligenz ist aus der Verkehrsmodellierung nicht mehr wegzudenken. (Photo: Franki Chamaki on Unsplash)
Künstliche Intelligenz ist aus der Verkehrsmodellierung nicht mehr wegzudenken. (Photo: Franki Chamaki on Unsplash)

Trend „Verkehrsmodellierung im Allgemeinen“

Dr. Klaus Nökel, PTV Group

Wir müssen die Städte und Kommunen von den Vorteilen der Verkehrsmodellierung überzeugen. Dafür müssen wir die Nutzung von Modellen für kleinere Gemeinden erschwinglich und attraktiv machen. Kleineren Städten fehlen häufig die finanziellen und personellen Ressourcen, um ein Modell erstellen und adäquat pflegen zu können. Hier setzen aktuelle Bemühungen an, Kosten und Zeitbedarf für den Modellaufbau zu senken. Ich denke zudem, wir müssen uns mehr daran orientieren, unsere Produkte so aufzubauen, dass sie leichter verständlich sind, damit auch Kollegen*innen, die keine ausgebildeten Verkehrsfachkräfte sind und sich nur sporadisch mit den Themen Verkehr und Mobilitätstrends beschäftigen, einen Zugang zur Thematik finden.
Mobilitsexpert*innen sollten außerdem davon wegkommen, Verkehrsmodelle als große alte Dame zu sehen, die einmal im Jahr aus der Schublade gezogen wird, um damit zu arbeiten. Ein Modell sollte stärker für Monitoringzwecke verwendet werden: jede Woche, jeden Tag, um zu überprüfen, ob das Modell mit der Realität vor dem Fenster übereinstimmt. So könnten Änderungen im Verkehrsablauf frühzeitig erkannt und die Ursache ermittelt werden, um dann datengetriebene Handlungsempfehlungen auszusprechen.

Michael Cik, Technische Universität Graz

Bisher haben wir immer in einer sterilen Laborsituation gearbeitet, seit letztem Jahr März ist diese künstliche Umgebung dank COVID-19 Realität. Uns beschäftigen jetzt andere Fragestellungen, die wir in Leitprojekten untersuchen. Wie werden sich Mobilitätstrends weiterentwickeln? Welche Veränderungen im Mobilitätsverhalten können wir beobachten? Ich habe noch von keinem gehört, er hätte die ultimative Formel gefunden, wie sich Mobilitätstrends nach Corona entwickeln werden. Das ist, glaube ich, ein spannendes Forschungsthema nicht nur für den Bereich der Verkehrsmodellierung. Wir versuchen diese datengetriebenen Modelle, bei denen wir mit Mobilfunkdaten arbeiten in agentenbasierte Modelle zu integrieren. Wir arbeiten auch mit den Kollegen in der Schweiz sehr eng zusammen. Ich habe immer sehr spannend gefunden, was Herr Nagel (Red.: Prof. Kai Nagel, TU Berlin) mit seinem Team und dem RKI macht zu der Thematik.

Prof. Dr. Christoph Walther, PTV Group

In Staaten mit einem hochentwickelten und dichten Verkehrsnetz ist ein notwendiger Mobilitätstrend die Priorisierung der Erhaltung der Infrastruktur vor ihrem weiteren Ausbau. Wir haben mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 den Shift vom Neubau zur Erhaltung zwar geschafft, ein Optimierungsverfahren für diesen Erhaltungsprozess, also die Priorisierung von Erhaltungsmaßnahmen bei begrenzten Budgets, fehlt jedoch. Die Datenbasis für die Erhaltungsplanung kann zunehmend verfeinert werden: Autos sind prinzipiell in der Lage, beim Fahren auf der Straße Unebenheiten zu protokollieren. Diese Daten geben ein gutes Indiz für den aktuellen Zustand des Straßenbelags. Über Veränderungen der Bausubstanz können Sensoren informieren, sogenannte intelligente Infrastrukturen. Data Collecting und Data Mining könnten entsprechend die Erhaltungsplanung revolutionieren.

Der Klimaschutz überlagert alles – auch die Mobilitätstrends der Zukunft. Unsere Regierung hat sich auf Klimaschutzziele (z.B. -42% CO2 im Verkehrssektor) verpflichtet, die in der Umsetzung ambitioniert sind. Bis die ersten Maßnahmen greifen, werden 2 – 3 Jahre vergehen. Das heißt, in den ersten Jahren sind gewaltige Zielverfehlungen bei einer linearen Minderungsfunktion vorprogrammiert. Zwar könnten wir – „dank“ COVID – anfangs noch die Kurve kriegen, aber der Puffer dürfte schnell aufgebraucht sein. Werden die Ziele nicht erreicht, müssen laut Gesetz, Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Wir werden an diesem Punkt sicherlich noch auf interessante Planungsherausforderungen stoßen.

Mobilitätstrend „Data“: Diskutieren Sie mit uns auf dem Data Day for Mobility 2021

Der Data Day for Mobility ist ein gemeinsames Event-Format der PTV Group und der DDS und ist als Informationsplattform gedacht für all diejenigen, deren Daily Business durch Mobilität beeinflusst wird. Am Donnerstag, 20. Mai 2021, erhalten Sie Einblicke, wie Sie ihre Analysen durch den Einsatz von Mobilitätsdaten verbessern und bisher noch unausgeschöpfte Potenziale entdecken können.

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