Die täglichen Verkehrs- und Unfallmeldungen im Radio sind für viele von uns nur ein Grundrauschen. Dabei geht es bei jeder Unfallmeldung um Menschenleben. Weltweit sterben pro Jahr etwa 1,3 Millionen Menschen im Verkehr und mehr als 50 Millionen werden verletzt! Gerade, wenn Autos oder Lkws in einen Unfall verwickelt sind, stellen sie die größte Gefahr für das Leben der Unfallbeteiligten dar. Wir sind noch weit entfernt von der „Vision Zero“, der Vision, dass es im Straßenverkehr keine Verkehrstote mehr gibt. Das Konzept bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Verkehrssicherheitsarbeit: So steht der Schutz besonders gefährdeter, also vulnerabler Verkehrsteilnehmer im Vordergrund. Weltweit kämpfen Vereinigungen, Kommissionen und Forschungsprojekte für die Umsetzung. Digitalisierung, Datenanalyse und ein vernetztes Mobilitätsmanagement sind der Königsweg zur Lösung.

“Vision Zero is not a slogan, not a tagline, not even just a program. It is a fundamentally different way to approach traffic safety.”
Vision Zero Network, USA.

Rückläufige Zahlen reichen nicht

Tatsächlich ist auch ohne die Effekte des Corona-Lockdowns die Anzahl der Getöteten bei Straßenverkehrsunfällen in Europa von 2019 bis 2021 größtenteils rückläufig. Frankreich führt dabei mit 2.947 Toten die Statistik für 2021 an, Deutschland rangiert auf dem 3. Platz mit etwa 2.600 Todesfällen. Doch es gibt keinen Grund, sich entspannt zurückzulehnen: Immer noch kommen besonders in den Sommermonaten weniger geschützte Verkehrsteilnehmer*innen zu Schaden. Wenn man auf dem Motorrad, dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs ist, trägt man ein erhöhtes Risiko, getötet oder schwer verletzt zu werden. Und obwohl auch die Anzahl der Verletzten sinkt, sind 323.129 Verletzte alleine in Deutschland im Jahr 2021 zu viel. „Wir dürfen die Personenschäden nicht als gegeben hinnehmen“, betont Sofia Salek de Braun nachdrücklich. Nach einem tragischen Verlust hat sie als Global Road Safety Ambassador ihr Leben der Sicherheit auf den Straßen der Welt verschrieben. „Die Sicherheit im Straßenverkehr ist unsere gemeinsame Verantwortung. Als Basis ist es wichtig, Gefahrenstellen zu erkennen und zu bewerten. Mit modernen Tools gelingt diese rückwirkende Betrachtung des Unfallgeschehens besser denn je. Aber vor allem müssen wir mit den heutigen Möglichkeiten der Digitalisierung das Verkehrsgeschehen von vorneherein sicherer machen.“

„Bis 2050 soll in Europa kein Mensch mehr bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen.“
EU-Kommission.

„Wir dürfen die Personenschäden nicht als gegeben hinnehmen“, Sofia Salek de Braun, Global Road Safety Ambassador.
„Wir dürfen die Personenschäden nicht als gegeben hinnehmen“, Sofia Salek de Braun, Global Road Safety Ambassador.

Verkehrssicherheit durch vernetzte Mobilität

Der Faktor Mensch ist dabei selbst sein größtes Sicherheitsrisiko. Weil sich menschliches Fehlverhalten im Verkehr jedoch nicht einfach so abstellen lässt, kann man den Menschen nur durch die umgebenden Systeme schützen. Daher setzen Konzepte zur modernen Mobilität verstärkt auf autonome Fahrzeuge und Systeme. Der Mensch soll nur noch im Notfall kontrollieren können. Doch die Etablierung autonomer Fahrzeuge steckt noch in den Kinderschuhen.

Eine sichere Umgebung auf den Straßen erreicht man durch die enge Vernetzung mehrerer digitaler Mobilitätslösungen: eine umfassende Verkehrssicherheitsanalyse, eine darauf aufbauende datengestützte Planung der Verkehrssicherheit, eine intelligente Verkehrsinfrastruktur und eine umfassende Umfeldsensorik, d. h. die Kommunikation des Fahrzeugs mit seiner Umgebung. Die Themenplattform Vernetzte Mobilität des Zentrums Digitalisierung Bayern beschreibt vernetzte Mobilitätssysteme als eine der wichtigsten Herausforderungen für die Mobilität der Zukunft.

Datenanalyse, -simulation und -austausch für proaktive Prävention

Für die Gestaltung eines sicheren Straßenraums spielt zunächst die Analyse relevanter Daten die wichtigste Rolle. So lassen sich datengestützt realistische Verkehrs- und Straßenmodelle simulieren, optimierte Szenarien iterativ erproben und bewerten – und damit die Verkehrssicherheit bereits bei der Verkehrsplanung berücksichtigen. Ein echter Mehrwert für die Kommunen.

Erhebliches Potenzial besteht parallel im Datenaustausch zwischen den verantwortlichen Stellen; ein wichtiger Aspekt gerade bei der Früherkennung von Gefahrenstellen. Salek de Braun bestätigt: „Wir müssen Unfalldaten landesweit in digitaler Form zur Verfügung stellen, auf die alle Beteiligten unbeschränkten Zugriff haben, Polizei wie Kommunen.“ Dabei gilt: je vollständiger, desto besser. So fehlen beim Unfalldatenatlas von Destatis noch Informationen, die für detaillierte Unfallanalysen relevant sind. Im Rahmen des Forschungsprojekts FeGIS+ wurden dagegen nicht nur Unfalldaten gesammelt, sondern auch eine neue Webseite ins Leben gerufen. Diese bietet den Bürgerinnen und Bürgern selbst die Möglichkeit, wertvolle Rückmeldungen über Gefahrenstellen abzugeben. Die angeschlossenen Verwaltungen können diesen digitalen Datenpool übergreifend nutzen, ihre Planungen priorisieren und die Verkehrsinfrastruktur optimieren und entschärfen. Ein Citizen-Science-Projekt für die sog. interessierten Laien. Dass diese Perspektive wichtig ist, weiß Salek de Braun. „Handlungsbedarf besteht auch dort, wo Gefährdungen vorliegen, auch wenn sie noch nicht zum Unfall geführt haben.“

Photo by Chris, Pixabay
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Photo by Dukha, Pixabay
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Dynamische Infrastruktur für den Blick um die Kurve

Doch oft reicht eine optimierte Verkehrsplanung und -infrastruktur nicht aus, um den Schutz besonders gefährdeter Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Die Dynamisierung der Infrastruktur über die Umfeldsensorik ist der nächste Hebel mit großer Wirkung für die Verkehrssicherheit. In Mobilitätskonzepten der Zukunft geht man davon aus, dass städteweit Smart Grids auch für die Kommunikation der Verkehrsteilnehmer untereinander nutzbar werden. Über Nachrüstsysteme oder sog. Wearables kann man alle am Verkehrsgeschehen teilnehmenden Fahrzeuge, inkl. Fahrräder und Roller, sowie die Fußgänger*innen selbst mit entsprechenden Systemen ausrüsten. Damit ließen sich auch schwer einsehbare Verkehrssituationen meistern, z. B. wenn das Blickfeld eingebauter Sensoren situativ eingeschränkt ist und sich an anderer Stelle ein Radfahrer mit hoher Geschwindigkeit nähert. Mithilfe der standardisierten Kommunikation über die C2X-Technologie können sich Fahrzeuge und Infrastruktur selbstständig austauschen, weil sie gleichzeitig als Sender und Empfänger von Informationen fungieren. Frühzeitige Warnungen an das Steuerungssystem, quasi der digitale Blick ‚um die Kurve oder durch den Lkw‘, lassen dabei genug Zeit für rettende Ausweich- und Bremsmanöver.

Verkehrssicherheit stärkt die gesellschaftliche Entwicklung

Weltweit aber ist das Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung spürbar gestiegen: “The best present is to be present (Das schönste Geschenk ist, anwesend zu sein)”, so lautete die Kampagne, die von der Portuguese National Road Safety Authority für eine sichere Reise zur Weihnachtszeit ins Leben gerufen wurde. Durch digitale Innovationen entstehen bei der Arbeit für die Verkehrssicherheit völlig neue Ansatzpunkte: Weil neue Technologien in Sekundenschnelle belastbare Daten liefern können, wird eine gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr erst möglich.

Neben der Reduzierung möglicher Gefahren für Leib und Leben hilft die Verkehrssicherheit, Reparaturkosten der Verkehrsinfrastruktur zu senken, die Mobilität zu verbessern und die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt zu fördern. Gerade in Ländern mit hohen Unfallraten. Salek de Braun glaubt fest daran: „Es gibt nichts Erfüllenderes, als sich gemeinsam für das Gemeinwohl einzusetzen!“

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