Bis 2050 werden nach Angaben der Vereinten Nationen rund 70 % der Menschen weltweit in Städten leben. Die wachsende Urbanisierung, Platzmangel, Umweltverschmutzung und Klimawandel drängen Stadtplaner*innen, neue Lösungen zu finden. Sie müssen Städte gerade mit Blick auf diese Herausforderungen intelligent, nachhaltig und effizient gestalten. Ein entscheidendes Instrument sind dabei urbane digitale Zwillinge.

Digitaler Zwilling Definition

Beginnen wir mit den Grundlagen, der Definition digitaler Zwilling. Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild eines physischen Produkts, realen Objekts oder Systems. Es spiegelt den Zustand und das Verhalten seines realen Gegenstücks wider.

Digitale Zwillingstechnologie nutzt dabei reale Daten aus allem möglichen Quellen. Sie bauen auf mathematische Modelle und fortschrittliche Technologien auf, wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Mustererkennung. Damit ahmen sie die reale Welt möglichst genau nach.

Digital Twins haben ihren Ursprung in der Luft- und Raumfahrt. Sie wurden bereits in den 1960er Jahren von der Nasa eingesetzt. So testete man z.B. neue Roboter, bevor sie ins All geschickt wurden.

Im virtuellen Modell lassen sich Abläufe simulieren, Leistungen und Prozesse prüfen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse können auf das physische Objekt oder System übertragen werden und helfen, dieses zu optimieren. Digitale Zwillinge werden dabei in den unterschiedlichsten Bereichen genutzt. Zum Beispiel in der Automobilindustrie, dem Gesundheitswesen, der Stadtplanung oder dem Verkehr.

Was sind urban digital Twins?

Nach der oben aufgeführten Definition ist ein urban digital Twin eine virtuelle Nachbildung einer realen Stadt. Ein urbaner digitaler Zwilling spiegelt die städtische Umgebung wider, d.h. die Landschaft, die Gebäude, die Vegetation, die Infrastruktur sowie die Bewegungen der Menschen und des Verkehrs.

Mit einem virtuellen Zwilling einer Kommune können verschiedene Szenarien in der Stadtplanung simuliert werden, z.B. Bau, Energieversorgung und Verkehrsmanagement. Testläufe im Modell helfen Stadtplanern und Entscheidungsträgern, die aktuelle und zukünftige Situation in der Stadt besser zu verstehen.

Sie können Veränderungen oder Maßnahmen im urbanen digitalen Zwilling zunächst einmal analysieren, bevor diese dann tatsächlich umgesetzt werden, d.h. Fehlschläge in Projekten werden verringert. Schließlich haben Entscheidungen von heute einen tiefgreifenden Einfluss auf die Stadt der Zukunft.

Der digitale Zwilling einer Stadt bündelt Datensätze aus verschiedenen Quellen, wie z. B. Sensoren, Fahrzeugen oder mobilen Geräten. Er besteht aus mehreren Ebenen, den so genannten Layern, die jeweils einem bestimmten Zweck dienen.

Wie ist ein urbaner digitaler Zwilling aufgebaut?

Layers of an Urban Digital Twin

Die ersten Schichten einer Digital Twin City bilden die Stadtlandschaft, inklusive Gebäude, Infrastruktur und Straßen, nach.

Die darauffolgende Ebene, der so genannte Mobility Layer, bildet die komplexe Dynamik der Mobilität innerhalb der Stadt ab.

Die digitale Ebene entsteht durch die Integration von Echtzeitdaten, die von Sensoren und verschiedenen Geräten stammen. Smart City Sensoren und das Internet of Things (IoT) bereichern dies zusätzlich. Mit Hilfe von Technologien wie künstlicher Intelligenz und fortschrittlicher Analytik entsteht die virtuelle Ebene der digitalen Zwillingsstadt.

Die verschiedenen Ebenen ergeben zusammen ein vollständiges Bild der Stadt mit all ihren Abläufen. Die neue Sichtweise hilft bei zukünftigen Problemen, mit Vorteilen für Stadtverwaltungen und Einwohner*innen

Urbaner digitaler Zwilling Anwendung

Wie nutzen Städte digitale Zwillinge nun konkret? Was sin Vorteile digitaler Zwillinge?

Ein wichtiger digitaler Zwilling Anwendungsbereich liegt in der Stadtplanung und -gestaltung. Im Modell lassen sich angedachte Maßnahmen überprüfen und ihre Wirkung beurteilen.

Planer*innen können mit urban digital Twins simulieren, wie sich ein Stadtteil entwickeln wird. Dabei berücksichtigen sie Faktoren wie Bebauung, Bevölkerungszahlen und Verkehr. Das vereinfacht Planungsprozesse und hilft, urbane Räume mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und künftigem Wachstum zu gestalten. Zum Beispiel, um in Bezug auf den Klimawandel und steigende Temperaturen die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Städte wie Singapur und Shanghai nutzen digitalen Abbilder schon heute, um ihre Stadtplanung strategisch und zukunftsorientiert zu verbessern.

Beispiele für urbane digitale Zwillinge

Der Digital Twin der Stadt Singapur bietet eine sehr detaillierte 3D-Darstellung der gesamten Metropole. Sie dient als virtuelles Testfeld für innovative Lösungen in der Stadtplanung. Das beinhaltet neue Gebäude und eine genaue Verwaltung von Bäumen und Grünflächen, um Nachhaltigkeit zu fördern.

Der digitale Zwilling von Shanghai umfasst inzwischen eine Fläche von 3.750 km². Planer*innen verwenden digitale Zwillingssimulationen, um öffentliche Dienstleistungen zu verbessern und die Auswirkungen neuer Gebäude vorherzusagen.

Programm: Connected Urban Twins

In Deutschland unterstützt die Bundesregierung das Projekt Connected Urban Twins. Das Ziel ist die Förderung der Entwicklung digitaler Zwillinge in Städten und Kommunen. München, Hamburg und Leipzig arbeiten zusammen am Einsatz von Connected Urban Twins, um die Digitalisierung für nachhaltige Stadtentwicklung zu nutzen. Der digitale Zwilling München soll z.B. bei wichtigen Themen wie Klimaschutz, Mobilität und Stadtentwicklung helfen.

Urbane digitale Zwillinge im Verkehr

Ein weiteres wichtiges Anwendungsbeispiel für urbane digitale Zwillinge ist die Verkehrsplanung und -das Verkehrsmanagement. Urban digital Twins bieten einen innovativen Ansatz, um die zunehmende Komplexität der städtischen Mobilität zu bewältigen und den Verkehrsablauf zu verbessern.

Verkehrsmodelle dienen als digitale Zwillinge

Dies gilt nicht nur für den kompletten urbanen digitalen Zwilling, sondern umfasst auch den Mobility Layer selbst. Ein Verkehrsmodell ist beispielsweise bereits ein digitaler Zwilling der Verkehrssituation einer Stadt. Die virtuelle Darstellung zeigt die komplexen und multimodalen Reiseentscheidungen, Bewegungsmuster der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden und die entsprechende Mobilitätsnachfrage.

Transport Model

Zudem umfassen solche digitalen Modelle die Kapazitäten des Verkehrsnetzes. Innerhalb dieser digitalen Spielwiese können Verkehrs- und Stadtplaner*innen die Auswirkungen verschiedener Verkehrs- und Flächennutzungsoptionen bewerten. Sie können die wahrscheinliche Leistung des Verkehrssystems in der Zukunft prognostizieren.

Durch Verkehrssimulationen verstehen Planer*innen den Verkehrsfluss besser und wie verschiedene Verkehrsteilnehmende miteinander interagieren. Die Untersuchung von „Was-wäre-wenn“-Szenarien hilft, kluge Entscheidungen zu treffen, bevor Maßnahmen umgesetzt werden. Diese Änderungen können z.B. Straßen, Radwege oder neue öffentliche Verkehrsmittel beinhalten.

London nutzt virtuellen Zwilling im Mobilitätsbereich

Ein Beispiel für den Einsatz eines digitalen Zwillings aus Großbritannien: Die Verkehrsorganisation Transport for London (TfL) nutzt einen digital Twin, um die Mobilität zukunftssicher auszurichten.

Der so genannte Operational Network Evaluator (ONE) ist eine virtuelle Kopie der realen Straßenverkehrsbedingungen im Großraum London. ONE basiert auf der Software PTV Visum und ist eines der größten und detailliertesten Autobahnmodelle der Welt. Das virtuelle Modell umfasst 53.500 km Straßen und über 17.000 Kreuzungen, davon 5.500 mit Ampeln.

TfL verwendet den digitalen Zwilling, um Projekte wie den Bau von Radwegen und Straßenumgestaltungen zu bewerten. So z.B., um die Auswirkungen auf Busfahrzeiten zu bestimmen, wenn Straßen und Flussübergänge gesperrt werden mussten.

Echtzeit-Verkehrsmanagement im Mobility Layer

Im Mobility Layer von urbanen digitalen Zwillingen werden zudem Tools zur Überwachung, Steuerung und Vorhersage des Verkehrs eingesetzt. Die Echtzeit-Verkehrsmanagement-Software PTV Optima ist hier ein Beispiel.

Solche Softwarelösungen nutzen historische und Echtzeitdaten von Kameras, Sensoren und GPS-Geräten. Sie liefern genaue Verkehrsprognosen für das gesamte Verkehrsnetz und geben einen vollständigen Überblick über die aktuelle Verkehrssituation. Außerdem können sie vorhersagen, wie sich die Verkehrslage entwickeln wird. Dies gibt Behörden Zeit, zu reagieren, Strategien zu verbessern und Probleme zu lösen, bevor es zu Verkehrsproblemen kommt.

Urbane digitale Zwillinge revolutionieren die Planung, Verwaltung und das Erleben von Städten, vor allem in der urbanen Mobilität. Durch die Nutzung von Daten und Echtzeit-Analysen können Städte und Kommunen effiziente, nachhaltige und sichere Mobilitätssysteme gestalten. Dies ermöglicht die Entwicklung flexibler Verkehrssysteme, die den sich verändernden Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden.

 

 

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