Seit Beginn der Coronakrise steht die Verkehrsplanung vor gewaltigen Herausforderungen. Lockdown, Social Distancing und strenge Hygienevorschriften – nicht nur Pendler und sonstige Verkehrsteilnehmer, sondern auch Verkehrsplaner sind davon betroffen. Im Rahmen des Shaping Mobility Webinars “A reimagined American City? Urban mobility after COVID-19” diskutieren Expert*innen wie Corona die Verkehrsplanung verändert.

Führende Mobilitätsexpert*innen gaben am Beispiel von Städten Nordamerikas Einblick in die aktuelle Verkehrsentwicklung: Dr. Susan Shaheen, Wissenschaftlerin an der University of California, Berkley, und stellvertretende Vorsitzende des TRB-Exekutivausschusses. Sie erforscht das Thema Mobility as a Service; Tilly Chang, Executive Director der Verkehrsbehörde des Bezirks San Francisco; Jarvis Murray, Administrator for For-Hire Transportation (Mietwagenverkehr) der Stadt Los Angeles; und Randy Iwasaki, Executive Director der Verkehrsbehörde von Contra Costa, einem der innovationsfreudigsten Bezirke in der Nähe von San Francisco.

Einschneidende Veränderungen

Die Coronapandemie hat die städtische Mobilitätslandschaft und Verkehrsplanung in vielerlei Hinsicht beeinträchtigt bzw. verändert.

In den Vereinigten Staaten sind die Fahrgastzahlen und Sharing-Angebote, und damit auch die Einnahmen um 80 % zurückgegangen. Doch die Betriebskosten sind während der Coronakrise nicht gesunken. Zum einen müssen Mobilitätsangebote für systemrelevantes Personal bereitgestellt werden, zum anderen sind umfangreiche Hygienevorschriften einzuhalten. Aufgrund der vorgeschriebenen Abstandswahrung kann zudem derzeit nur eine begrenzte Anzahl an Fahrgästen befördert werden.

Im April sanken die gefahrenen Fahrzeugkilometer um 30 % im Vergleich zum regulären Betrieb. Im August lagen sie aber schon fast wieder auf „Normalstand“. Derzeit arbeiten jedoch noch viele von zu Hause aus, zudem sind die Arbeitslosenzahlen deutlich gestiegen sind.

So ist zum derzeitigen Zeitpunkt schwer vorhersagen, wie sich die Verkehrssituation kurz-, mittel- und langfristig entwickeln wird. Zurückliegende Daten sind nicht repräsentativ genug, um Zukunftsprognosen erstellen zu können. Auch hat sich das Mobilitätsverhalten der Menschen verändert, was wiederum auf die aktuellen Entwicklungen und Maßnahmen zur Corona-Eindämmung zurückzuführen ist.

Wo stehen wir heute?

Susan Shaheen verwies auf eine rasant wachsende Anzahl an Roller- und Fahrradfahrern, auch die Entfernungen, die mit diesen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden, seien gestiegen. Zudem gäbe es einen Trend zur Lieferung bis nach Hause (Curbside Delivery). Sie ging auch auf das Thema Verkehrsangebote unter dem Aspekt der Bekämpfung der Rassendiskriminierung ein.

Tilly Chang berichtete über den Ausfall von 40 Stadtlinien und wie das Netz entsprechend angepasst wurde, um systemrelevanten Beschäftigten und Senioren zu ermöglichen, von A nach B zu kommen.

Jarvis Murray vermeldete einen starken Umsatzeinbruch bei den Taxifahrern, insbesondere bei den Fahrten zum und vom Flughafen. Dieser konnte teilweise durch Essenslieferungen (mit 3.000 – 4.000 Fahrten pro Tag) aufgefangen werden.

Der Bezirk Contra Costa hatte mit einem starken Rückgang der Steuereinnahmen gerechnet. Doch sie sind fast so hoch wie vor der COVID-Pandemie. Die Gründe für diese erfreuliche Entwicklung konnten jedoch noch nicht eindeutig ermittelt werden.

Neue Mobilitätsmodelle für die Zeit nach Corona

Transport planning after COVID-19

Die Diskussion verdeutlichte, dass im Rahmen einer zukunftsorientierten Mobilitätsgestaltung intelligentere Knotenpunkte und neue Mobilitätkonzepte bereitgestellt werden müssen.

Umso wichtiger zu wissen, wer wann wohin fährt. Zur Erarbeitung effizienter Strategien sollten auch planungsrelevante Informationen über die Reisenden vorliegen, also nicht nur Angaben darüber, ob man einer Ganztags- oder Teilzeitstelle nachgeht und welches Fahrzeug man fährt, sondern auch die Art der Tätigkeit: Ist es eine systemrelevante Position oder könnte die Person von zu Hause aus arbeiten?

Für die klassische Nachfragemodellierung bedeutet dies, nun auch den Faktor „Systemrelevante Tätigkeit“ bei den Personengruppen zu berücksichtigen.

Die Modelle und Technologien zur Ermittlung des Verkehrsnachfrage können auch intensiver zur Gestaltung und Digitalisierung der Curbside Delivery, Essens- und Warenlieferungen und Planung der Ein- und Ausstiegsorte von Fahrgästen genutzt werden.

Boomender E-Commerce

Auch der E-Commerce ist während der COVID-19-Pandemie rasant gewachsen, was wiederum zu einer Einbindung der Modellierung von Lkw-Verkehr, E-Commerce und Individualverkehr geführt hat. Konzepte, die Lieferungen auf der ersten und letzten Meile sowie Auswirkungen auf Staubildung und Emissionen berücksichtigen, werden zu immer wichtigerer Bestandteilen der Verkehrsplanung werden.

Neue Schlüsselfaktoren, die mit in die mittelfristige Verkehrsplanung einfließen werden, sind soziale Gerechtigkeit, bezahlbarer Wohnraum und die Frage, wo die Menschen leben wollen.

Aufgrund der jüngsten Veränderungen zieht es immer mehr Menschen in die Vororte. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung zu neuen „Extrempendlern“ führen wird, also Berufstätige, die bereit sind, mehr als zwei Stunden am Tag zur Arbeit (und zurück) zu pendeln.

Mehr Transparenz im Straßenverkehr

Was können hier die PTV-Tools leisten? Sie ermöglichen Planern, in kürzester Zeit die notwendigen Verkehrsnetzmodelle zu erstellen. Dabei fließen Daten aus unterschiedlichen Quellen wie beispielsweise Verkehrszählungen, StreetLightData und öffentlichen Verkehrsmitteln mit ein.

PTV Visum dient als Szenariomanager zwischen den regionalen Nachfragemodellen und den in Echtzeit bereitgestellten Daten. Mit PTV Visum lassen sich die unterschiedlichen Variablen zusammenführen und die Auswirkungen der jeweiligen Faktoren in kartenbasierten und Dashboard-Formaten darstellen. Zu diesen Faktoren gehören: Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, die Bereitschaft, ÖV-Angebote zu nutzen, Home-Office, Arbeitsmuster von systemrelevanten und nicht systemrelevanten Beschäftigten sowie Fahrradwege und Carsharing-Angebote zur Nutzung anderer Verkehrsmittel.

PTV tools provide clarity in for infrastructure and transport planning

Die Auswirkungen unterschiedlicher Konzepte bewerten zu können und nachzuvollziehen, welche Maßnahmen sich als wirkungsvoll erweisen, ermöglicht Städten und Gemeinden, höchst effektive und effiziente Verkehrspläne zu erstellen und umzusetzen.

Wir möchten dem sachkundigen Gremium für seine Einblicke herzlich danken und freuen uns, gemeinsam mit unseren Partnern unseren Beitrag zur Umgestaltung der amerikanischen Städte leisten zu können.

Mobilität neu gestalten – nach Corona

Städte setzen auf Simulationssoftware PTV Visum bei der Umgestaltung ihrer Verkehrsnetze.

1 thought on “Verkehrsplanung in Corona-Zeiten: Wie Städte sich neu ausrichten

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