Was man früher eher als Transportmittel in Skigebieten oder Touristenattraktion kannte, entwickelt sich immer mehr zum städtischen Verkehrsmittel: Seilbahnen im ÖPNV. Die Idee ist reizvoll: Statt im Stau zu stehen, schwebt man einfach darüber hinweg. Doch wie und wo sind Seilbahnen für den Nahverkehr geeignet? Und können sie dazu beitragen, städtische Verkehrsprobleme zu lösen?

Immer mehr Städte weltweit erkennen das Potential von Seilbahnen im ÖPNV. Zum Beispiel,wenn in unwegsamem Gelände keine Bahn- oder Straßenbahnschienen verlegt werden können oder große Höhenunterschiede zu überwinden sind. In solchen Fällen können Gondel Lücken im öffentlichen Verkehrsnetz schließen und Randgemeinden mit dem Zentrum verbinden.

Seilbahnen im ÖPNV weltweit

Seilbahn, La Paz

Die kolumbianische Stadt Medellín 2004 war die erste Stadt weltweit, die ein Seilbahnsystem als ganztägig betriebenes öffentliches Verkehrsmittel eingeführt hat. Das „Metrocabel“ bindet zwei Problemviertel der Stadt näher ans Zentrum im Tal und erfüllt damit auch eine soziale Funktion. Die Menschen sparen Transportkosten und können schneller und besser an neue Arbeitsplätze gelangen.

Auch in La Paz, Bolivien, ist die Seilbahn ein wichtiges Element für die städtische Infrastruktur. Seit der Einführung 2014 wurde das Netz ständig erweitert auf inzwischen zehn Linien mit einer Gesamtlänge von über 30 Kilometern. Pro Stunde können bis zu 50’000 Personen befördert werden.

In der türkischen Hauptstadt Ankara wurde eine Seilbahn zwischen einem Vorort und der Innenstadt gezielt gebaut, um den Verkehr zu entlasten. Mit Erfolg: Statt im Auto im Stau zu stehen, überwinden Pendler*innen die 3,2 km lange Strecke jetzt in nur 10 Minuten.

Seilbahnen im ÖPNV günstiger als andere Dienste

Ein weiterer Vorteil von Seilbahnen im ÖPNV: Durch die minimale Fläche, die für den Bau benötigt wird, sowie die Flexibilität bei der Zuweisung der Infrastruktur am Boden stellen Seilbahnen im Bau eine bis zu 80 % kostengünstigere Alternative zu konventionellen Mobilitätsdiensten dar. Aufgrund des geringen Wartungsaufwands und des minimalen Personalbedarfs (Seilbahnen benötigen weder Fahrer*innen noch Kontrolleur*innen) können die Gesamtkosten zudem langfristig niedrig gehalten werden. Ein weiteres Plus ist der „grüne“ Ansatz der Seilbahnen – sie sind emissionsfrei und durch die geringe Geräuschentwicklung nahezu lautlos.

Genaue Planung ist entscheidend

Sollten also mehr Städte weltweit in Zukunft auf diese Fortbewegungsart in ihrem Verkehrsmittelmix setzen? Zumindest wird vielerorts über das Thema diskutiert.

Beispiel Dachau: Viele Einwohner*innen der bayrischen Kreisstadt arbeiten im nahgelegenen München. Die zahlreichen Pendler*innen bringen den Verkehr auf Straßen und Schienen der Region regelmäßig an seine Grenzen. Eine Seilbahn – so die Idee der Stadt – könnte da Abhilfe schaffen und Pendler*innen in Zukunft geräuschlos und schadstoffarm in Richtung Landeshauptstadt transportieren.

„Ob sich der Bau einer Seilbahn lohnt oder wie stark diese den Straßenverkehr tatsächlich entlasten kann, ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Deshalb beauftragte uns die Stadt Dachau mit einer Potenzialanalyse,“ erklärt Gunnar Liehr von der PTV Transport Consult. „Unsere Aufgabe war es zu untersuchen, welche Streckenführung sinnvoll wäre und wie viele Fahrgäste ein solches Angebot nutzen würden.“

So galt es, verschiedene Fragestellungen zu bearbeiten. Welche Ziele in der Region sind für Berufs- und Freizeitverkehre relevant? Wie ließe sich die Seilbahn sinnvoll mit dem bestehenden ÖPNV-Netz verknüpfen? Wie könnte ein grober Linienverlauf aussehen? Wie hoch wären die zu erwartenden Kosten für den Bau? Und können genügend Fahrgäste gewonnen werden, damit der Bau und Betrieb einer Seilbahn rentabel ist?

Als besonders vielversprechend erwies sich in der Analyse eine Trasse von Dachau über Karlsfeld nach Moosach, dort könnten bis zu 24.000 Personen täglich transportiert werden.

„Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Seilbahnsystem in der Region Dachau erhebliches Potenzial hat. Wegen der hohen Transportkapazität könnten sie das bestehende System sinnvoll ergänzen. Selbst bei den verhältnismäßig geringen Geschwindigkeiten entstehen attraktive Reisezeiten, da in der Gondel ja in der Regel eine unterbrechungsfreie Fahrt garantiert wird“, erklärt Gunnar Liehr. „Unsere Studie dient den Verantwortlichen der Stadt nun als Entscheidungsgrundlage für das mögliche Infrastrukturprojekt.“

Auswirkungen simulieren

Wie konventionelle öffentliche Verkehrsmittel auch, lassen sich Seilbahnsysteme und ihre Fahrgäste mit Simulationssoftware modellieren. Es kommen dieselben Funktionen zum Einsatz, wie die üblichen öffentlichen Verkehrswege, Haltestellen und Fußgängerwege. Der einzige Unterschied zwischen einem konventionellen öffentlichen Verkehrssystem und einer Seilbahn besteht darin, dass sich letztere kontinuierlich und in linearer Geschwindigkeit vorwärtsbewegt.

Eignet sich eine Seilbahn für Ihre Stadt?

Genau wie klassische Verkehrsmittel auch, z. B. Busse oder Straßenbahnen, lassen sich Seilbahnen und ihre Fahrgäste mit Hilfe von PTV-Simulations-Software modellieren.

2 thoughts on “Über den Stau schweben: Seilbahnen im ÖPNV

  1. Also, 3,2 Km in 10 Minuten ist nicht möglich für Ankara. So schnell ist der Bautyp nicht. Seilbahnen sind langsam und die Geräuschentwicklung an den Stützen und in den Stationen sind beachtlich.

    Die Baukosten liegen deutlich über den von Straßenbahnen. Ein Bus ist viel Günstiger.

    Was man an Fahrpersonal einspart muss man an Stationspersonal doppelt und dreifach drauf legen und dann hat man nur wenige Stationen bedient.

  2. Dankeschön für Ihren Kommentar. Wirtschaftlichkeit uns Nutzen einer Seilbahn im ÖPNV müssen natürlich immer individuell betrachtet werden. Das macht Potenzialanalysen ja so wertvoll.

    Was die Fahrtdauer in Ankara angeht, gibt es verschiedene Quellen die von 10 Minuten für 3,2 km sprechen oder von einer Geschwindigkeit von 5 m/s. Der Betreiber selbst spricht von 13 Minuten: https://www.ego.gov.tr/en/sayfa/1082/teleferik

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