Sparkasse dicht, der nächste Hausarzt drei Ortschaften weiter, die Busverbindung gestrichen –mit Standortschließungen wie diesen fühlen sich Menschen in ländlichen Regionen häufig „abgehängt“. Das Land Baden-Württemberg will dem entgegenwirken und die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sichern. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie digital@bw soll im Leuchtturmprojekt „Erreichbarkeitssicherung im Ländlichen Raum“ ein digitales Werkzeug für gezielte Standortentscheidungen entstehen.

Wie weit entfernt wohnen Menschen im ländlichen Raum von Standorten der Daseinsvorsorge, wie Arztpraxen, Schulen oder Supermärkten, und wie schnell erreichen sie diese? Was bedeutet es für die Erreichbarkeitssituation, wenn ein Krankenhaus schließen muss? Ist die Eröffnung eines neuen Kindergartens sinnvoll und wenn ja, wo wäre der beste Standort? Wo fehlt es an Freizeiteinrichtungen, wie einem Schwimmbad oder Sportplatz?

Mit Hilfe der neuen Webanwendung, die von Expert*innen der PTV Group entwickelt wird, soll es in Zukunft Raum- und Verkehrsplaner*innen sowie der Kommunalpolitik ganz einfach möglich sein, auf einen Blick zu erkennen, wie sich Entscheidungen über Veränderung von bestimmten Standorten oder auch von öffentlichen Verkehrsangeboten auf die Erreichbarkeitssituation für Bürger*innen auswirken. Erprobt werden soll das digitale Werkzeug in den vorwiegend ländlich geprägten Modelllandkreisen Sigmaringen, Tuttlingen und dem Zollernalbkreis.

„Mit dem digitalen Planungstool entsteht ein wichtiges Instrument für Standortentscheidungen. Unterschiedliche Szenarien und Maßnahmen in der Raum- und Verkehrsplanung lassen sich damit ganz einfach durchzuspielen,“ erklärt Dr.-Ing. Volker Waßmuth, der das Projekt von Seiten der PTV Group leitet. „Landkreise und Gemeinden erhalten die Möglichkeit, Standorte zu bewerten und gezielt zu fördern. Das kann gerade auch jetzt in der Coronakrise wertvoll sein, wenn zum Beispiel in ländlichen Gebieten Läden die Schließung droht.“

In der ersten Projektphase galt es, alle nötigen Daten zur Bevölkerungsstruktur, zu den für die Daseinsvorsorge relevanten Standorten sowie zum Mobilitätsangebot zu sammeln. Im Untersuchungsgebiet wurden die Daten von über 17.000 Standorten in den fünf Kategorien Bildung, Gesundheit, Nahversorgung, Freizeit und Kultur sowie Behörden und Dienstleistungen zusammengestellt. Im Bereich Mobilität wurden sowohl der Individualverkehr mit dem Pkw, dem Fahrrad (mit und ohne Elektrifizierung) oder zu Fuß als auch der öffentliche Verkehr mit Bus und Bahn berücksichtigt.

„Diese riesige Menge an erfassten Daten hat natürlich an sich schon einen enormen Wert. Werden große Datenmengen zudem in einem Modell zusammengeführt, wie es hier passiert, so spricht man auch von einem ‚Digitalen Zwilling‘, der einem hilft, verschiedene Herausforderungen objektiv und mit einer fundierten Datenbasis angehen zu können. In diesem Fall ist die Herausforderung, der sich das Land stellt, die Sicherung der Erreichbarkeit in unseren ländlichen Regionen“, sagte  der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk MdL, am Rande einer Videokonferenz zum aktuellen Stand des Projekts sowie in der Pressemitteilung des Ministeriums.

Auf Basis dieser Daten wurde für die drei Modellregionen ein solches komplexes Erreichbarkeitsmodell in der Software PTV Visum erstellt. Das Online-Tool setzt auf dieses Modell auf.

Webtool zeigt Erreichbarkeit im ländlichen Raum
Demo-Version: Das Webtool zeigt auf einen Blick, wo beispielsweiße die Schließung eines Gymnasiums besonders großen Einfluss auf die Erreichbarkeit hätte.

„Die Visualisierung der Daten in der Webanwendung macht es möglich, unkompliziert Informationen zu generieren. Ein Vorteil des Online-Tools ist dabei die einfache Handhabung, die wir dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in einer ersten Demoversion jetzt präsentiert haben,“ so Dr.-Ing. Volker Waßmuth. Er erklärt an einem Beispiel (siehe Bild links):

„Habe ich beispielsweise den Anspruch, dass in meinem Landkreis von jedem Ort ein Gymnasium innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad erreichbar sein soll, sehe ich in der Webanwendung auf einen Blick, wo dies nicht der Fall ist und kann ggf. gegensteuern.“

In der nächsten Phase werden nun die Anwendungsfälle und flächendeckenden Bewertungen auch für die zu erwartende Entwicklung für das Jahr 2030 ermittelt und bereitgestellt. Durch diesen vorausschauenden Blick kann rechtzeitig Handlungsbedarf identifiziert werden.

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