Lange Schlangen bei der Gepäckabgabe oder Sicherheitskontrolle und nicht enden wollende Wege zu den Gates – für viele Fluggäste ist das ziemlich strapaziös. Um tägliche Abläufe zu analysieren und zu verbessern, nutzen Flughäfen immer öfter Simulationssoftware. Mit ihr lassen sich die Bewegungen von Personal, Fluggästen oder auch Fahrzeugen innerhalb und außerhalb des Flughafens simulieren. Auch neue Konzepte oder Szenarios für Notfälle lassen sich mit Simulationssoftware testen, damit das Flughafenmanagement im Ernstfall passend reagieren kann.
Im Flughafenmanagement kommen modernste Technologien zum Einsatz. So etwa Detektoren, um in Echtzeit zu überwachen und zu steuern, wie sich die Menschen auf dem Flughafenareal bewegen. Das hilft dabei, den Personenverkehr besser abzuwickeln oder kritische Vorfälle rechtzeitig zu erkennen.
Doch erst die realistische Simulation der sogenannten Personenströme ermöglicht, das beste Konzept für einen effizienten Flughafenbetrieb zu entwickeln. Sei es im täglichen Betrieb oder auch während Umbauarbeiten zur Modernisierung. So können zum Beispiel den verschiedenen Arbeitsbereichen die optimale Anzahl von Mitarbeiter*innen zugeordnet werden – sogar inklusive der Berücksichtigung ihrer Pausenzeiten. Wartezeiten werden akzeptabel und die Fluggäste erreichen sicher ihren Flug.
Wie genau ist eine Flughafensimulation?
Die Fußgänger*innen in der Simulation bilden Warteschlangen, überqueren die Straße, können in Fahrzeuge ein- oder aussteigen. Auch die Auswahl von Rolltreppen, Aufzügen oder Treppen und Gängen sowie die Wechselbeziehung mit Fahrzeugen gehören dazu. Sicherheitskontrollen lassen sich simulieren. Die Bewegung von Fußgänger*innen mit oder ohne Gepäck, die sich schnell oder langsam fortbewegen, kann genau nachgebildet werden. Das gilt auch für die Fahrzeuge innerhalb oder außerhalb des Flughafens und deren Interaktionen.
So modelliert die Software nahtlos die Bewegungen der Fluggäste – vom Ausstieg aus dem Flugzeug bis zum Verlassen des Flughafens, um den nächsten Anschlusszug, Bus oder das Auto zu erreichen.
Wie plant man ein neues Terminal?
Die Planung eines neuen Terminals ist ein gutes Beispiel dafür, wie Simulationssoftware eingesetzt wird. So sollte zum Beispiel der Flughafen Singapur, einer der größten Verkehrsknotenpunkte in Asien, um ein Terminal erweitert werden. Um Terminal 5 planen und entwickeln zu können, wurde ein Mikrosimulationsmodell entwickelt. Von Mikrosimulation spricht man, wenn einzelne Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmer*innen simuliert werden, um das Gesamtgeschehen darzustellen. Das ermöglichte den Planern, neue landseitige und People-Mover-Vorgänge, also Vorgänge mit Personenbeförderungsmitteln, zu modellieren und zu bewerten. „Landseitig“ meint hier alles, was den Flughafen mit der bodengebundenen Verkehrsinfrastruktur verbindet, also Straßen für den Individualverkehr, Vorfahrtflächen für Busse, Taxistände, Bahnhöfe, auch Gehwege und vieles mehr.
Simuliert wurden für den Flughafen auch die Serviceanlagen im Vorfeldbereich und die Gestaltung der entsprechenden Zufahrts- und Abfahrtswege. Auf dieser Basis konnten die Planer die effizientesten Betriebsbedingungen ermitteln.
Wie lassen sich Staus und Störungen vermeiden?
Im Haltebereich vor dem Flughafengebäude geht es häufig chaotisch zu. Der verkehrsreichste Flughafen der Welt, der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport (ATL), mit über 100 Millionen Fluggästen jährlich, vermeidet Staus und Störungen mit detaillierter Planung und Simulation.
Im Auftrag der Stadt Atlanta hat das Luftfahrt-Beratungsunternehmen Ricondo einen Masterplan entwickelt, um den Flughafen optimal auf künftige Wachstumsraten einzustellen. Gustavo Ceballos, Director bei Ricondo: „PTV Vissim ist das beste Tool zur Modellierung der komplexen Zu- und Abfahrtsvorgänge, der Manövrierszenarien, der Fahrzeugtypen, der Interaktion mit Fußgängern, der doppelten und dreifachen Belegung und der Warteschlangenbildung. Die Software hilft uns dabei, die Komplexität des multimodalen An- und Abfahrtsbetriebs an den nationalen und internationalen Terminals des Flughafens in Atlanta nachzuvollziehen und zu planen, einschließlich der Interaktion an Fußgängerüberwegen, Zufahrtskontrollen, der Ein- und Ausstiege der Fahrgäste, der Bodentransportsysteme und des Betriebs der Verkehrsunternehmen.“
Wie plant man luftseitige Vorgänge?
Die Luftseite stellt mit 80 bis 95 Prozent der Fläche den größten Teilbereich der Flughafeninfrastruktur dar. Sie stellt die Infrastruktureinrichtungen bereit, die für den Start- und Landevorgang und die Abfertigung von Flugzeugen nötig sind.
Eine wichtige und zugleich komplexe und kostspielige Aufgabe für das Flughafenmanagement ist die effiziente Wartung der Flugzeuge durch Wartungsfahrzeuge. Hier lässt sich die Effizienz deutlich steigern: durch Simulation und Prüfung unterschiedlicher Strategien, die Gestaltung des Vorfelds, der Wartungsrouten sowie der Routenbeschränkungen (z. B. aufgrund der Länge oder Höhe der Fahrzeuge). Auf Basis des Ist-Zustands und der getesteten Szenarien kann der Flughafenbetreiber entscheiden, welches Szenario umgesetzt werden soll. Die Simulation liefert die erforderlichen Informationen, um Statistiken zur Netzleistung, Dichte sowie zu Reisezeiten und Verzögerungen zu erstellen.
Am Flughafen Gatwick sollten Positionen am Flugsteig erweitert werden. Die Unternehmensberatung Atkins setzte PTV Vissim ein, um ein luftseitiges Straßennetz für die zukünftige Gestaltung zu modellieren und zu bewerten. Darüber hinaus wurden Verspätungen von Fahrzeugen auf dem Vorfeld und ihre Auswirkungen auf den Flugbetrieb ermittelt. Außerdem wurde die Planung der Servicefahrzeuge am Boden mit dem Flugplan verknüpft. „Insbesondere die sogenannten Wegekettenmatrizen, die uns PTV Vissim lieferte, waren sehr hilfreich, um die Nachfrage aus dem Flugplan zu ermitteln“, sagt Yogesh Patel, Senior Managing Consultant bei Atkins.
Wie hilft Simulation im Notfall?
Vielleicht die Königsdisziplin von Simulationssoftware: Evakuierungszenarien. Was passiert, wenn die Fluggäste auf dem Vorfeld aussteigen müssen, wohin sollen sie gehen? Wie sieht es mit dem Wartungsverkehr und den Flugzeugen aus? Welche Maßnahmen kann das Flughafenmanagement ergreifen, um eine sichere Evakuierung zu gewährleisten? Diese und andere Szenarien können in der Simulationssoftware getestet und modelliert werden. Darüber hinaus ist es möglich, den Einsatz von Rettungsfahrzeugen zu simulieren. Aber auch, was mit den Personen und ihrem Gepäck geschieht. PTV Viswalk 2020 berücksichtigt jetzt sogar Daten zu Brandgasen, sodass deren Auswirkungen auf die Insassen berechnet werden können.
Ein weiteres Szenario könnte sich am Gate abspielen: Wie werden die Fluggäste zum Check-in-Bereich geleitet? Wie verlaufen die Warteschlangen? Beeinträchtigen sie andere Personen an den Treppenauf- und -abgängen?
Die Simulation hilft Flughäfen, potenzielle Gefahrenstellen zu analysieren, Personenströme zu planen und Fluchtwege sowie Evakuierungsszenarien zu modellieren. Mit Hilfe des Basismodells einer Mikrosimulation des landseitigen Verkehrs auf einem Großflughafen (vom Inneren des Terminalgebäudes bis zur Sicherheitskontrolle des Flughafens) wurde die Evakuierung von Nahverkehrszügen vom Flughafenbahnhof aus durch das Flughafengebäude simuliert.
Wenn das Flughafenmanagement nachvollziehen kann, wie sich Personen- und Güterströme innerhalb eines Flughafens bewegen, lässt sich nicht nur die Effizienz verbessern, sondern auch eine positive Erfahrungswelt für die Fluggäste schaffen.
Co-Autor Chris Davis:
Chris arbeitet bei PTV UK und begeistert sich für neue und innovative Anwendungsfälle der Verkehrsmodellierung – beispielsweise bei der Planung von Flughäfen.